Historische Ursachen der Fremdenfeindlichkeit in den Neuen Bundesländern

Thesenpapier von Jan C. Behrends, Dennis Kuck und Patrice G. Poutrus (ZZF Potsdam/Projektgruppe "Herrschaft und Eigen-Sinn") für das Aktionsbündnis gegen Gewalt, Rechtextremismus und Fremdenfeindlichkeit des Landes Brandenburg

I. Thesen

Die Grundpositionen dieses Papiers lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:

Das grundlegende Legitimationsdefizit der SED-Diktatur führte zu anhaltender Distanz großer Teile der Bevölkerung zum Staat. Die Präsenz von Ausländern in der eingemauerten DDR war keine Selbstverständlichkeit, sondern eng an die Interessen der SED gekoppelt. Deshalb kann man davon ausgehen, daß die "Fremden" von der Bevölkerung immer auch als Symbol sozialistischer Herrschaft wahrgenommen wurden. Im Gegensatz zur Bundesrepublik gab es in der DDR keine öffentliche Entwertung nationalistischer Weltanschauungen - die deutsche Nation blieb ein zentraler mentaler Bezugspunkt für Regime und Bevölkerung. Die sozialistische Nation wird dabei tendenziell als geschlossene Gemeinschaft imaginiert, zu deren Ressourcen "Fremde" ("Klassenfeinde" oder Ausländer) keinen Zugang haben sollten. Den von der SED inszenierten Freundschaftsritualen standen die unterschiedlichsten Fremdheitserfahrungen der Bevölkerung unvermittelt gegenüber. Konflikte zwischen Deutschen und "Fremden" waren tabuisiert, daher konnte sich keine Konfliktkultur und keine gesellschaftliche Toleranz entwickeln. Vielmehr versuchte die SED durch die Kasernierung der "Fremden" die Kontaktfelder zu minimieren.

II. Historische Grundlagen der Fremdenfeindlichkeit in den Neuen Bundesländern

Die Debatte um die Ursachen der Fremdenfeindlichkeit in den Neuen Bundesländern erreichte 1999 mit dem "Töpfchenstreit" um die Thesen des Hannoveraner Kriminologen Christian Pfeiffer einen neuen Höhepunkt. Seine Aussage, die autoritären Erziehungsmuster in der DDR-Kinderbetreuung seien mitverantwortlich für die Bereitschaft, andere auszugrenzen, wurde in der deutschen Öffentlichkeit kontrovers diskutiert. Der publizistischen Debatte über die Ursachen der Fremdenfeindlichkeit steht jedoch keine vergleichbare wissenschaftliche Auseinandersetzung gegenüber. Die sozialhistorische Forschung zu "Fremden" und Fremdenfeindlichkeit in der DDR steckt vielmehr noch in den Kinderschuhen. Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, daß sich die historische Forschung zur DDR zunächst vornehmlich mit dem politischen System der DDR beschäftigte und die Forschung zu gesellschaftlichen Randgruppen vernachlässigte. Dieses Thesenpapier versucht, einige Erklärungsansätze für die Fremdenfeindlichkeit auf dem Gebiet der ehemaligen DDR zu entwickeln, die sich an den historischen Bedingungen des Umgangs mit und der Wahrnehmung von "Fremden" in der ehemaligen DDR orientieren. In den folgenden Thesen sollen sowohl ältere mentalitätsgeschichtliche Prägungen der ostdeutschen Bevölkerung als auch sozial- und wirtschaftsgeschichtliche Bedingungen im Staatssozialismus berücksichtigt werden; im Mittelpunkt unserer Thesen stehen allerdings die spezifischen Modalitäten des Aufenthalts von "Fremden" in der staatssozialistischen Diktatur der DDR.

Historische Voraussetzungen heutiger Fremdenfeindlichkeit: Mentale Prägungen und sozialistische Ideologie

Wie die Bundesrepublik so stand auch die DDR in der Kontinuität der deutschen Geschichte, d.h. auch sie war ein Nachfolgestaat des nationalsozialistischen ‚Dritten Reiches'. Von Beginn der SED-Herrschaft an ist jedoch in der SBZ/ DDR keine öffentliche Debatte über den Nationalsozialismus geduldet worden. Das primäre Interesse von Besatzungsmacht und SED galt vielmehr ihrer Herrschaftssicherung. So wurde während der drakonischen Säuberungen in der SBZ der unmittelbaren Nachkriegszeit neben tatsächlicher NS-Belastung zunehmend auch die Haltung gegenüber der kommunistischen Herrschaft zum Kriterium der Verfolgung, so daß das schnelle Bekenntnis zur "antifaschistischen Ordnung" das Verfolgungsinteresse erlahmen lassen konnte. Es erscheint demnach fraglich, ob die rassistischen, nationalistischen und antibolschewistischen Stereotypen der NS-Propaganda, die in der Bevölkerung zweifelsohne verbreitet waren, allein durch die gebetsmühlenartige Wiederholung des antifaschistischen Gründungsmythos der DDR tatsächlich aus dem Wertekanon der Bevölkerung getilgt wurden. Es soll hier nicht geleugnet werden, daß sich zahlreiche Menschen in der Aufbaugeneration der DDR einem antifaschistischen Ethos verpflichtet fühlten. Allerdings ist auch zu fragen, wie sich die Erfahrungen und Prägungen aus der Zeit der NS-Herrschaft, die Erlebnisse mit "Fremdarbeitern" während des Zweiten Weltkrieges und die traumatischen Erfahrungen in den Jahren der sowjetischen Besatzungsherrschaft mit den Aussagen der SED-Propaganda brachen. Jedenfalls hat die SED während ihrer Herrschaft stets die historische Mitverantwortung der DDR für die Verbrechen des nationalsozialistischen Deutschland bestritten und konsequenterweise auch (nach dem Ende der unfreiwilligen Reparationszahlungen an die Sowjetunion) keine Wiedergutmachungszahlungen geleistet. An die Stelle offener Rede über die Zeit des Nationalsozialismus trat vierzig Jahre lang der Versuch, die DDR-Bevölkerung auf die Minderheitenperspektive der kommunistischen Widerstandskämpfer, die in radikaler Opposition zum Nationalsozialismus standen, einzuschwören. Die Mehrheit der Deutschen hatte die NS-Diktatur aber eher als Unterstützer oder als Mitläufer erlebt, so daß schon früh eine Lücke zwischen den Erfahrungen und Einstellungen der Menschen und der Propaganda der SED entstand. Nachdem auf dem Gebiet der sowjetischen Besatzungszone die Deutsche Demokratische Republik gegründet worden war, begannen die Versuche diesen neuen deutschen (Teil-)Staat zu legitimieren. Besonders zu Beginn ihrer Herrschaft, letztlich aber während ihrer gesamten Existenz hatte die SED mit einem Legitimationsdefizit zu kämpfen. Die DDR wurde von der Mehrheit ihrer Bevölkerung zunächst als von der sowjetischen Besatzungsmacht aufgezwungene "Fremdherrschaft" wahrgenommen wurde, die SED wurde von der Bevölkerung als "Russenpartei" gesehen. Dieses Defizit führte zwischen 1949 und 1989 zu einem Wechselspiel zwischen den Bemühungen der SED um Legitimität einerseits und einer beharrlichen Distanz vieler Menschen zum sozialistischen Staat andererseits. Gerade dieses gespannte Verhältnis zwischen Herrschaft und Gesellschaft bildete eine Grundvoraussetzung für die problematische Stellung "Fremder" in der DDR, weil der Aufenthalt "Fremder" in der staatssozialistischen Diktatur- wie im folgenden gezeigt werden soll - stets eng an "Maßnahmen" durch zentrale staatliche Stellen gekoppelt war.

Nationalismus, Internationalismus, Diktatur: Streben nach maximaler Homogenität

Die Propaganda, die die SED-Herrschaft in den fünfziger Jahren legitimieren sollte ("erster Arbeiter-und -Bauern-Staat auf deutschem Boden"), knüpfte ungeniert an ältere nationale Legitimationsmuster an. Nach ihrer Rhetorik zu urteilen, verstand sich die DDR als die wahre Vertreterin der deutschen Nation: sozialistischer Inhalt in nationaler Form. Während der gesamten Existenz der DDR blieb es jedoch unbestritten, daß man sie mit dem Begriff von Benedict Anderson als eine "vorgestellte Gemeinschaft" von Deutschen beschreiben kann. Im Gegensatz zur Bundesrepublik, wo ein ethnischer Nationsbegriff seit Beginn der sechziger Jahre gesellschaftlicher Entwertung ausgesetzt war, hielt die DDR in ihrer Rhetorik am Konzept der Nation fest: lediglich die Inhalte des Nationsbegriffs der SED änderten sich. In den sechziger und siebziger Jahren trat der "proletarische Internationalismus" stärker in den Vordergrund der Selbstdarstellung der DDR, da die Ostblockstaaten nun auf die rasch fortschreitende Dekolonisierung der Welt reagierten. Dieser "proletarische Internationalismus" war in der Ideologie der SED mit dem ebenfalls offiziell propagierten "sozialistischen Patriotismus" unauflöslich verbunden. Das führte zu dem Paradox, daß in der DDR von der Bevölkerung ein kontinuierlicher Spagat zwischen Nationalismus, Heimatliebe und internationaler Solidarität verlangt wurde - ohne daß eine offene Diskussion der Inhalte solcher Begriffe in der kontrollierten Öffentlichkeit der staatssozialistischen Diktatur überhaupt möglich oder erwünscht war. Wenn man nach der Wirkungsmächtigkeit dieser ständig präsenten Propaganda fragt, ist zu vermuten, daß das tradierte Konzept der Nation für die Mehrheit der Bevölkerung größere Attraktivität besaß als der abstrakte "Internationalismus". Ferner ist festzuhalten, daß eine Entwertung nationaler Ideen in der DDR nicht stattfand; es ist vielmehr zu konstatieren, daß die Bevölkerung zwar nicht alle ideologischen Schwenks der SED-Führung ("sozialistische deutsche Nation") mit nachvollzog, aber daß der Begriff der "deutschen Nation" auch über das Ende der DDR hinaus für viele DDR-Bürger ein positiver Identifikations- und Orientierungspunkt - etwas, worauf man stolz war - blieb. Die staatssozialistische Diktatur mit ihrem allumfassenden Regelungsanspruch setzte während der gesamten Existenz der DDR den rechtlichen Rahmen für den Aufenthalt von und den Umgang mit "Fremden". Eine (mehr oder weniger) freizügige Migration von Arbeitskräften aus dem Ausland in die DDR - wie etwa in marktwirtschaftlich verfaßten Gesellschaften - fand nicht statt. Vielmehr wurde die Bevölkerung - besonders in den fünfziger Jahren, aber auch später - ständig zur "Wachsamkeit" gegenüber "Fremden" ermahnt. "Fremde" konnten in der Diktion der SED-Propaganda immer "feindliche Agenten, Provokateure und Saboteure" sein, denen man nicht vertrauen konnte. Der Aufenthalt von Ausländern in der DDR war stets an staatliche Maßnahmen gekoppelt. Ohne Einladung und Visum konnte man die DDR als "Fremder" nicht betreten (Ausnahme: Visafreiheit für Polen und CSSR 1972-1980). Diejenigen, denen ein Aufenthalt genehmigt wurde, standen deshalb in einem engen Verhältnis zur SED-Herrschaft. Dies bedeutet, so eine weitere zentrale These dieses Papiers, daß "Fremde" von der Bevölkerung als Repräsentanten kommunistischer Herrschaft wahrgenommen werden konnten. Dies gilt besonders für die größten Gruppen von "Fremden", nämlich die sowjetischen Soldaten und die ausländischen Vertragsarbeiter. Die Einreise und permanente Anwesenheit von "Fremden" in der DDR wurde demnach von der Bevölkerung nicht als selbstverständlich wahrgenommen, sondern als eine an die staatliche Zustimmung gebundene Ausnahme gesehen. Wer als Nicht-Deutscher kam, war nur auf Zeit und zu den Bedingungen des SED-Staates geduldet. Was bestehen blieb, war gegenseitiges Mißtrauen zwischen Staat, Deutschen und "Fremden", das jedoch nicht artikuliert werden konnte. Der latente Nationalismus ist bereits als eine Komponente der Selbstdarstellung des SED-Regimes erwähnt worden. Einen weiteren Grundzug der SED-Herrschaft bildete das Streben nach Homogenität in der Klassengemeinschaft der DDR. Die Aufhebung gesellschaftlicher Konflikte (und nicht ihre Moderation), die Schaffung von symphonia, gehörte zu den zentralen Zielen des Regimes - dementsprechend gering war die Toleranz gegenüber "randständigen" gesellschaftlichen Gruppen in der DDR. Dieses gesellschaftliche Klima, das ein Höchstmaß an Konformität und Konfliktfreiheit zum Normalzustand erklärte, schuf schlechte Voraussetzungen für einen toleranten Umgang mit den "Anderen", die dem Ideal der Staats- und Parteiführung und/ oder dem der Mehrheit der Bevölkerung nicht entsprachen. Neben den Minderheiten und Randgruppen der DDR-Gesellschaft mußte sich dieses gesellschaftliche Klima gerade auf die Anwesenheit von "Fremden" in der DDR negativ auswirken. Gerade diese Minderheiten und Randgruppen der DDR-Gesellschaft stellen noch eine Lücke in der historischen Forschung dar. Die historische Forschung sollte nicht die Perspektive der SED reproduzieren und sich auch um die Menschen kümmern, die in der DDR durchs Raster fielen.

Alltag im Staatssozialismus: Inszenierte Freundschaftsrituale und Konkurrenz in der Mangelgesellschaft

Wie bereits erwähnt war der "proletarische Internationalismus" eine zentrale ideologische Figur in der DDR der siebziger und achtziger Jahre. Im Alltag der Menschen bedeutete dies die oft unfreiwillige Teilnahme an "von oben" inszenierten Freundschaftsritualen ("Deutsch-Sowjetische Freundschaft") oder an den internationalistischen Initiativen der Partei- und Staatsführung ("Internationale Solidarität", Aufnahme von Politemigranten). Es handelte sich um Akklamationsrituale, mit denen die "werktätigen Massen" die außenpolitische Orientierung der DDR gutheißen sollten. Außerdem war die DDR durch ihre Aktionen ("Weltfestspiele", "Festival des politischen Liedes") bemüht, von ihrer außenpolitischen Isolation abzulenken und sich gegenüber ihrer Bevölkerung eine Ersatzlegitimation zu verschaffen. Reisen und tatsächliche Kontakte mit fremden Ländern und ihrer Kultur blieben (mit Ausnahme der Reisen in die ostmitteleuropäischen Nachbarstaaten) das Privileg einer kleinen parteitreuen Elite. Kontakte mit "Fremden" gab es einerseits durch die massive Präsenz der sowjetischen Truppen und andererseits durch die steigende Zahl ausländischer "Vertragsarbeiter" in den Industriebetrieben. Die Anwesenheit dieser Gruppen war, wie oben erwähnt, eng an das politische System der DDR gekoppelt. Während bei den "Solidaritätsaktionen" kein unmittelbarer Kontakt zu "Fremden" stattfand, waren sowjetische Soldaten und ausländische Vertragsarbeiter de facto - wenn auch stark abgeschirmt - in der DDR lebende Mitbürger. Ihre rechtliche Lage war jedoch stets prekär. Es gab keinen rechtlich einklagbaren Aufenthaltsanspruch; vielmehr konnten die Behörden (mit der signifikanten Ausnahme der Angehörigen der sowjetischen Besatzungsmacht) mit den Ausländern "nach Gutsherrenart" umspringen. Auch die politischen Emigranten hatten keinen Rechtsanspruch auf Asyl. Ihr Aufenthalt in der DDR blieb an politische Loyalität zur SED gebunden. Zur politischen Ruhigstellung wurden sie über die DDR verstreut und so weitgehend von einander isoliert. Ansätze von Selbstorganisation, die dem Kontrollanspruch der SED widersprochen hätten, wurden von zentraler Stelle behindert. Insbesondere die ausländischen Vertragsarbeiter wurden von der Bevölkerung primär als (illegitime) Konkurrenten um die wenigen Konsumgüter in der staatssozialistischen Mangelwirtschaft wahrgenommen. Zudem kam es auch zu geschlechtsspezifischen Konflikten, besonders wenn männliche Vertragsarbeiter Beziehungen zu deutschen Frauen aufnahmen. Zusammenfassend kann die These formuliert werden, daß trotz der vergleichsweise geringen Zahl an Ausländern in der DDR ihr Verhältnis zur DDR-Bevölkerung konfliktbeladen war. Da diese Konflikte jedoch tabuisiert waren, konnte sich auch keine Kultur des Umgangs mit "Fremden" und Ausländern entwickeln. Diese historischen Hypotheken wirken noch heute in den Neuen Bundesländern fort. Die hier formulierten Thesen sollen Erklärungen, die Probleme der Systemtransformation bei der Erklärung von Fremdenfeindlichkeit in den Vordergrund stellen, durch eine historische Perspektive ergänzen. Die Autoren sind überzeugt, daß die historischen Hypotheken von vierzig Jahren staatssozialistischer Herrschaft besonders hier noch nachwirken. Es ist die Aufgabe weiterer sozialwissenschaftlicher Forschung, beide Ansätze produktiv zu verknüpfen. Insbesondere ist zu fragen, inwieweit nicht Teile der ostdeutschen Bevölkerung nach den Enttäuschungen im vereinten Deutschland die Bundesrepublik als neue "Fremdherrschaft" wahrnehmen. In der Wahrnehmung von Ausländern zeigen sich Kontinuitäten: zum einen gelten ausländische "Asylanten" wieder als staatlich protegierte "Günstlinge", zum anderen werden Ausländer wieder als illegitime Konkurrenten um die neue Mangelware Arbeit gesehen. Andererseits gilt es festzuhalten, daß es sich bei der heutigen Wohnbevölkerung in den Neuen Bundesländern in vieler Hinsicht um die "Dagebliebenen" handelt, jenen immobilen Teil der Menschen, der an den großen Abwanderungswellen nach dem Zweiten Weltkrieg (1945-61, nach 1990) nicht partizipiert hat. Es treffen hier also mobile "Fremde" mit bodenständigen Deutschen zusammen. Es ist unser Anliegen, für einen breiten zivilgesellschaftlichen Dialog über die Ursachen von Fremdenfeindlichkeit in den Neuen Bundesländern zu plädieren. Der Blick für das Zusammenwirken gegenwärtiger und historischer Faktoren sollte geöffnet werden. Die sozialhistorische Forschung sollte solchen polemischen Vereinfachungen wie der "Töpfchen-These" komplexere Erklärungen der Fremdenfeindlichkeit in der ehemaligen DDR entwickeln. Aus den hier dargestellten Zusammenhänge ließen sich nach unserer Ansicht folgende tagespolitische Konsequenzen formulieren: Die stillschweigende Duldung vor Ort und politische Indifferenz gegenüber fremdenfeindlichen und rechtsextremen Einstellungen würden de facto auf eine Fortführung der SED-Politik in diesem Bereich hinauslaufen. Sie sind allerdings nicht geeignet, diese mentalen Strukturen der Intoleranz aufzubrechen noch den Institutionen des demokratischen Rechtsstaats Legitimation zu verschaffen. Vielmehr plädieren wir für ein eindeutiges Auftreten staatlicher Instanzen, die Menschenrechte von Ausländern auch im Konflikt mit der einheimischen Bevölkerung durchzusetzen. In der Öffentlichkeit sollte herausgestellt werden, daß Konflikte zur gesellschaftlichen Realität gehören und die Differenz nach ethnischer Herkunft nur ein Konfliktpotential unter vielen in der offenen Gesellschaft darstellt. Der Versuch einer allseitigen Harmonisierung nimmt der Gesellschaft ihre Dynamik und führt in die Sackgasse, in welcher die DDR endete.

Reaktionen:

Andreas Hillebrandt <ahilleb@student.uni-goettingen.de>, 10.08.2000

Matthias Judt <majudt@debitel.net>, vom 11.08.2000

Stefan Scheil <Stefan.Scheil@gmx.net>, vom 11.08.2000


Quelle = Email <H-Soz-u-Kult>

From: "Patrice Poutrus" <poutrus@ZZF-PDM.DE>
Subject: Thesenpapier 'Historische Ursachen der Fremdenfeindlichkeit in den Neuen Bundeslaendern'
Date: 08.08.2000