MAGIE EINES KONSTRUKTES

Anmerkungen zu M. Fahlbusch „Wissenschaft im Dienst der nationalsozialistischen Politik?”

 

Hans Böhm, Bonn

 

Einleitung

Vorzustellen und anzumerken ist ein zweifelsohne gewichtiger wissenschaftshistorischer Beitrag, der anhand einer beeindruckenden Zahl unterschiedlichster Quellen die „Volksdeutschen Forschungsgemeinschaften” als Teil der wissenschaftlichen Praxis und der Forschungsorganisation im NS-System rekonstruiert und die wichtigen Fragen von Mitverantwortung, Schuld und Kontinuität engagiert aufgreift. Mit der vorliegenden Publikation knüpft Fahlbusch an seine 1994 veröffentlichte Dissertation mit dem Ziel an, die „nationalsozialistische Großinstitution der »Volksdeutschen Forschungsgemeinschaften« (VFG)” „erstmals in ihrem vollen Umfang” vorzustellen und „einen wissenschaftlichen Brain trust im Dritten Reich dahingehend zu untersuchen, inwieweit sich wissenschaftliche und politische Verflechtungen personell wie institutionell nachweisen lassen und welche Konsequenzen für die Wissenschaft und die Volkstumspolitik daraus resultieren” (S. 19). Mit dieser Zielsetzung ist ein hoher Anspruch, indirekt aber auch die Unterstellung verbunden, es habe während der NS-Diktatur eine „Wissenschaftsgroßinstitution” gegeben, deren Hauptaufgabe Politikberatung gewesen sei. Mit dem Postulat einer „Institution größeren Ausmaßes […], die die zweckgerichtete ethnohistorische Forschung angeleitet hat” (S. 21) verknüpft Fahlbusch die These, dass die VFG „für die wissenschaftliche Vorbereitung der gewalttätigen Bestrebungen des Dritten Reiches verantwortlich” (S. 20) gewesen seien. Aus der Erkenntnis, dass die VFG während des Krieges der SS als wissenschaftlicher Brain trust angegliedert wurde und dem Faktum, dass die SS bei den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen „als Hauptakteur der Menschenumsiedlung und -vernichtung […] als verantwortlich für den Holocaust identifiziert wurde” (S. 20) ergibt sich für Fahlbusch nicht nur die Frage nach der Mitverantwortung der beteiligten Wissenschaftler sondern auch die These, dass die Menschenvernichtung nur durch die enge Verflechtung zwischen Wissenschaft und Politik so effektiv gewesen sein konnte. Gewissermassen durch sein eigenes Konstrukt geblendet, stellt Fahlbusch auf keiner der über 800 Seiten die zu erwartende Frage nach der „Modernität” der Wissenschaftsorganisation. Sind Herrschaft, Kontrolle, Unterwerfung und Vernichtung nicht auch Facetten der Moderne?

Seine Thesen unterstreicht Fahlbusch durch das Schema einer streng nach dem „Führerprinzip” gestalteten „Organisationsstruktur der VFG” (Abb. 2, S. 83), in welchem er neben einer „strategischen” und „operativen” Führungsebene vier nachgeordnete Ebenen als „Handlungsfelder” unterschiedet, die zusammen mit den zugehörigen Publikationsstellen von der Nordostdeutschen (NOFG), Osteuropäischen (OEFG), Südostdeutschen (SODFG), Alpenländischen (AFG), Westdeutschen (WFG) und der Überseedeutschen Forschungsgemeinschaft (ÜFG) angeführt werden. Ähnlich beurteilt werden muss, allerdings entgegen Fahlbuschs Behauptung (S. 21)[1], die Wirkungsgeschichte der Reichsarbeitsgemeinschaft für Raumforschung (RAG). In dieser 1936 gegründeten „Großforschungseinrichtung” wirkten nicht nur Wissenschaftler der VFG, insbesondere die Ostspezialisten der Volksdeutschen Mittelstelle mit, sie war nicht zuletzt auch für den „Generalplan Ost” verantwortlich (Rössler u. Schleiermacher 1993). Auf der Reichsarbeitstagung dieser Arbeitsgemeinschaft trafen sich am 11.-13.4.40 in Berlin die Arbeitskreise II (Umsiedlung), III (Zentrale Orte), IV (Gross-Oberschlesien) und V (Weichsel). Anschließend gab es noch eine Sondersitzung des Arbeitskreises „Kolonialforschung”.[2]

Die über 800 Seiten umfassende Publikation ist nach Aufbau und Argumentation ein Beleg dafür, dass die apostrophierte wissenschaftliche Großinstitution ein von Rivalitäten, Kompetenzstreitigkeiten und purem Machthunger geprägtes „Endprodukt” eines 1933 beginnenden Konzentrations- und Gleichschaltungsprozesses gewesen ist. Einen stringenten Beweis für die frühe Existenz der im Organisationsschema angedeuteten Hierarchien und Machtstrukturen und die Größe der Institution liefert Fahlbusch nicht. Die einleitend vorgelegten „quantitativen Kenndaten” und der Verweis auf 800 Mitarbeiter beim „Handwörterbuch des Grenz- und Auslanddeutschtums”[3] sind hier kaum beweiskräftig. Angesichts der zentralen Frage nach Mitschuld der in den Forschungsgemeinschaften agierenden Wissenschaftler an den „ethnischen Flurbereinigungen” in Europa und am Holocaust muss die Frage nach der „Truppenstärke” der dem „Kriegseinsatz der Wissenschaft” zuzuordnenden Akademiker eigentlich belanglos sein.

Fahlbusch benutzt das Organisationsschema und die darin enthaltene regional differenzierte Struktur als Grobraster zur Strukturierung seines umfangreichen Materials. Geradezu pedantisch wiederholt er die Sequenz: Forschungsgemeinschaft, Organisationsstruktur, Handlungsfelder und zwingt den Stoff in diese „Schubladen”. Dadurch teilt Fahlbusch manche, möglicherweise interessante, für die Fragestellung wenig relevante Details mit, stellt andererseits aber auch Fakten unzulässigerweise nebeneinander, deren Zusammenhang nicht evident ist. Seine Analyse der regionalen Forschungsgemeinschaften leitet er mit allgemeinen Ausführungen über Entstehungsbedingungen und die Entwicklung der VFG von 1931-1945, deren „strategische Führung”, die Geschäftsstellen und Publikationsorgane (S. 65-177) ein. Diese Stoffaufteilung,  die sich durch die nicht gerade glückliche Gliederung in „Friedenseinsatz” (S. 65-468) und „Kriegseinsatz der Volkswissenschaft” (S. 469-772) auch noch reproduziert, bedingt Wiederholungen und verhindert die wünschenswerte analytische Präzision.

Fahlbuschs Ausführungen beginnen mit der Auflösung der Leipziger Stiftung für deutsche Volks- und Kulturbodenforschung 1931und schließen mit der abschließenden Aussage, dass viele Wissenschaftler, vor allem Volkskundler, Historiker und Geographen während der NS-Zeit durch ihre „ex ante- und ex post-Bevölkerungsanalysen” mittelbar am Holocaust beteiligt waren. Bereits in dem einleitenden, „Ziele dieser Arbeit” überschriebenen Kapitel konstatiert Fahlbusch: „Insbesondere durch umfangreiche Quellenstudien wurde ermittelt, in welchem Umfang die Wissenschaftler an den politischen Entscheidungsprozessen beteiligt waren und ob sie sich über die Konsequenzen ihres Handelns bewußt waren, dem NS-System zu Diensten zu sein.” (S. 27). Hiermit nimmt er nicht nur ein Ergebnis seiner Untersuchung vorweg sondern unterstellt auch, dass Wissenschaftler an politischen Entscheidungsprozessen beteiligt waren und über die Folgen ihres Handelns reflektierten.

Fahlbusch liefert in seiner Arbeit zahlreiche Argumente dafür, dass die Geschäftsstelle der VFG spätestens 1941 eine „Abteilung” des Reichssicherheitshauptamtes wurde und damit den Anweisungen der SS unterworfen war. Die aus dieser institutionellen Nähe geschlossene aktive Teilnahme der Forschungsgemeinschaften an Ermordungsaktionen der SS kann Fahlbusch jedoch nicht belegen. Es bleiben nur Vermutungen, wie viele seiner „Beweisführungen”. Nicht zu bestreiten ist, dass sich viele Wissenschaftler aus Überzeugung oder Opportunismus mit ihren wissenschaftlichen Arbeiten während der NS-Zeit an der Verwirklichung von Kriegszielen beteiligt haben und damit Maximen einer „kämpfenden Wissenschaft” gehorchten. Bedenklich an Fahlbuschs Argumentation und Beweisführung ist, dass er auf der Suche nach und Identifikation von „Tätern” wirksame Netzwerke sowie Kontexte unzureichend oder verzerrt abbildet.

 

Methodischer Ansatz, Fragestellungen und Quellen

Nicht zuletzt für die NS-Zeit sollte an die Stelle monodisziplinärer Historiographien eine Geschichte von Disziplingruppen treten, deren interdisziplinäre Konflikte, Beziehungen und Forschungsziele bzw. -strategien herauszuarbeiten sind. Für die Geographie wurde bereits mit der bemerkenswerten Pionierarbeit von Rössler (1990) ein institutionengeschichtlicher Forschungsansatz vorgezeichnet, der über einzelne Hochschulinstitute oder Volkstumsorganisationen hinausgehend wissenschaftliches Arbeiten und Handeln in übergeordnete hochschul-, gesellschafts- und allgemeinpolitische Zusammenhänge einordnete. Während bei Rössler die modellhafte Rekonstruktion der Wissenschaftsentwicklung, die Wissenschaftspraxis im ideologischen Kontext der NS-Zeit und die Produktion neuer Forschungsfelder im Vordergrund standen, will Fahlbusch außeruniversitäre Forschungsgemeinschaften als eine wissenschaftliche Großinstitution der NS-Zeit rekonstruieren. Dabei konzentriert er sich „auf den Personenkreis, der die strategische Führung dieser VFG innehatte” und berücksichtigt „notwendigerweise auch die in diese wissenschaftliche Großinstitution eingebundenen landeskundlichen Institute” (S. 20). Der von Fahlbusch programmatisch geforderte institutionengeschichtliche Ansatz wäre tragfähiger geworden, wenn er bereits zu Beginn seiner Arbeit deutlich zwischen Institutionen im Sinne bestehender Organisationsstrukturen und Institutionen im Sinne von Regel- und Normensystemen, die aus intendierten und nicht intendierten Folgen absichtlicher Handlungen verschiedener Akteure resultieren, unterschieden und die Wechselbeziehungen zwischen Institutionen und individuellem Handeln deutlicher hervorgehoben hätte. Fahlbuschs Verweis auf M. Webers „Bürokratietheorie” (S. 31/32) und dessen Begriff der „Rationalität” ist mehr eine Replik und weniger ein tragfähiges Theoriekonzept für die folgenden Analysen. Die der Arbeit vorangestellten forschungsleitenden Hypothesen (S. 28ff) erlauben aufgrund ihrer Apodiktik ebensowenig wie die auf S. 469f formulierten Fragestellungen, denen die fertige Antwort z.T. gleich angefügt wird, einen differenzierenden Diskurs.

Auf das umfangreiche Quellenmaterial, das in vielen Archiven, u.a. im Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes[4], im Bundesarchiv, im Archiv der Republik Österreich sowie im Institut für Zeitgeschichte gesichtet wurde, sowie auf die lückenhafte Überlieferung und die verstreute Aktenlage weist Fahlbusch in dem knapp gehaltenen Kapitel „Aktenüberlieferung” (S. 36/37) hin. Weder hier, noch an anderer Stelle nimmt er eine dezidierte Quellenkritik vor, was jedoch – nicht nur im Hinblick auf die abschließenden Aussagen – notwendig gewesen wäre, stützt sich doch die Untersuchung „zur Hauptsache auf unveröffentlichte Quellen wie Jahresberichte, Niederschriften und Protokolle der Tagungen und Vorstandssitzungen der VFG, die im Verkehr mit der Ministerialbürokratie angefertigt worden sind” (S.36). So ist z.B. anzumerken, dass die „Tagungsprotokolle”, oder dem zeitgenössischen Sprachgebrauch entsprechend, die Protokolle der Arbeitstagungen bzw. -sitzungen, die in der „Untersuchung einen zentralen Stellenwert” (S. 36) einnehmen, nicht immer „autorisierte Kurzversionen der Vorträge oder stenographische Mitschriften” (S. 36), sondern adressatenorientierte Ergebnisprotokolle, mit „radikale Sprache” und besonderer Betonung von NS-Ideologemen waren. Ein Faktum, auf das Fahlbusch erst in der Zusammenfassung aufmerksam macht. Protokollanten der Quellen waren häufig in der nationalsozialistischen Rhetorik geschulte Vertreter der SS bzw. des RSHA.

Beispielsweise enthält das Protokoll der „Zweiten Arbeitstagung der Forschungsgemeinschaft Übersee” vom 26. und 27. Oktober 1935 in Marburg, auf das sich Fahlbusch (S. 465f) bezieht, u.a. folgende Passagen zu einem Referat von K. H. Pfeffer (Leipzig), die die stilistische Ebene und die damit verbundenen Interpretationsprobleme verdeutlichen können:

„[…] I. Zur Lage des australischen Deutschtums. 1) Es ist brüchig in seinem zahlenmäßigen Bestand. Schätzungen schwanken zwischen 150 000 Australiern mit deutschen Vorfahren, 100 000 Deutschstämmigen, 50 000 an irgendeiner Form deutschen Lebens und Bewusstsein noch Teilhabenden. Dabei stärkere eigene Vermehrung als die australische Umgebung, doch stete Entvolkung. […] III. Aufgabe wissenschaftlichen Einsatzes. Jede wissenschaftliche Einzelarbeit am Australiendeutschtum hat nur dann Berechtigung, wenn sie sich über ihre Aufgabe und Möglichkeit klar ist: 1) Sie kann dem Generalkonsulat und den Heimatstellen für volksdeutsche Arbeit genau Bericht erstatten über die fortlaufenden Vorgänge in der deutsch-australischen Entvolkung oder dem völkischen Erwachen. […] Diese Aufgabe darf keineswegs zufälligem Hinkommen überlassen bleiben und darf vor allem nicht in wissenschaftlichen und anderen Veröffentlichungen unternommen werden. Sie ist nur durch genaue Beauftragte seitens der zuständigen Stelle zu lösen. […] Die Aufträge sind also nur solchen Leuten zuzuteilen, die als vollkommen harmlos nach außen dastehen. In dem liberalen Australien ist allgemein die Achtung vor ‘der’ Wissenschaft gänzlich ungebrochen. Wer sich als Wissenschaftler bei seinen Fachkollegen der australischen Universitäten ausweist und dann von ihnen empfohlen in deutsche Siedlungsgebiete im Zuge seiner Australienforschungen kommt, wird als recht ausgewiesen alle Wege offen finden. […]”[5]

Mit diesem längeren Zitat soll auch auf einen weiteren Mangel hingewiesen werden: das Fehlen einer notwendigen Präsentation ausgewählter Dokumente. Zumindest ein Teil der Quellen hätte sich leicht ausführlicher dokumentieren lassen, wenn Fahlbuschseine Gesamtargumentation gestrafft, unnötige Wiederholungen vermieden, auf die nahezu wörtliche Übernahmen von Passagen aus eigenen älteren Publikationen (z.B. S. 66f oder S. 360ff) verzichtet und das Literaturverzeichnis auf die für die Ausführungen relevante Literatur[6] reduziert hätte. Manche Argumentation wäre dadurch transparenter, nachvollziehbarer und diskutabler geworden. Viele der apodiktisch formulierten Aussagen lassen sich daher nur in den Archiven überprüfen. Um diesen Fehler nicht zu wiederholen, werden in der weiteren Rezension einige Dokumente ausführlicher präsentiert.

 

Netzwerke, Rahmenbedingungen und wissenschaftsgeschichtliche Rekonstruktion

Fahlbusch stellt abschließend fest, dass der Einfluss der Geographie „durch die Zentralisierung aller wichtigen Funktionen des Deutschen Geographentages, der Zentralkommission für wissenschaftliche Landeskunde von Deutschland und der bevölkerungspolitischen Bestandsaufnahme für den Generalplan Ost in der Geschäftsstelle der VFG” (S. 795) nicht unbedeutend gewesen sei. Bei dieser Aussage übersieht er wesentliche Elemente der institutionellen Einbindung des Faches Geographie in die interdisziplinär organisierten Forschungsgemeinschaften ebenso wie einige Rahmenbedingungen und wichtige zeitgeschichtliche Netzwerke und Kontexte. Die inner- wie interdisziplinären Interaktionen der Geographie basierten während der NS-Zeit auf Strukturen und hochschulpolitischen Diskursen, die z.T. bis in die Kaiserzeit zurückreichen. Der Erste Weltkrieg hatte der deutschen Geographie nicht nur ihren „Platz an der Sonne” genommen, sondern auch die internationale Kommunikation merklich gestört. Darüber hinaus war den Fachvertretern deutlicher denn je bewusst geworden, dass auf allen Seiten im Rahmen der Kriegsführung geographische Kenntnisse benötigt und eingefordert wurden, das Fach aber nicht in der Lage war, bei der Friedensregelung bzw. der Neuordnung Europas nach Kriegsende normative Vorgaben zu liefern. Dieses „Forschungsdefizit” galt es in den 20er Jahren abzubauen. In diesem Zusammenhang waren formale Strukturen oft weniger wichtig als persönliche Netzwerke. Die aus ihnen resultierende Macht, regelte nicht nur die Besetzung von Lehrstühlen, sondern bestimmte auch die Forschungsfronten. Wobei in diesem Kontext „Fronten” durchaus strategisch gelesen und interpretiert werden sollte.

Ende der 20er Jahre waren in der deutsche Geographie vor allem W. Meinardus (Göttingen), A. Hettner (Heidelberg), A. Philippson (Bonn), S. Passarge (Hamburg), E. v. Drygalski (München) – die drei letztgenannten waren Schüler F. v. Richthofens – und A. Penck (Berlin) bestimmend. Letzterem stand die eng mit zahlreichen amtlichen und halbamtlichen Dienststellen des Reiches über Vorstand und Mitglieder verbundene und daher einflußreiche wie international anerkannte Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin als Organisation zur Seite. Penck war nicht nur Mitinitiator der „Landeskundlichen Kommission beim Generalgouvernement Warschau”, die bereits während des Ersten Weltkrieges mit volkstumsorientierte Arbeiten im besetzten Polen aufwartete, er war nach 1920 auch Begründer der Stiftung für deutsche Volks- und Kulturbodenforschung in Leipzig, deren Leitung W. Volz übernahm. Außerdem gehörte er neben Letzterem, K. Sapper, A. Hettner, C. Uhlig, G. Schott, Exz. Schmidt-Ott u.a. zum Wissenschaftlichen Beirat des 1917 gegründeten DAI[7] in Stuttgart. Dieses stand nicht nur in personeller, sondern auch durch seine Zielsetzung und Arbeitsrichtung in enger Beziehung zum Volksbund für das Deutschtum im Ausland (VDA) und der Deutschen Akademie (DA) in München (vgl. Ritter 1981 sowie Rössler 1990, S. 112ff). Auf der Jahrestagung des DAI 1934 konnte der „Reichsführer” des VDA, H. Steinacher, mit Genugtuung feststellen, dass „auch in den Bezirken der Deutschtumsarbeit die Zeiten der unnützen Rivalitäten, des Gegeneinanders […] endgültig vorbei [seien] und dass Einheitlichkeit, Planung und Systematik auch Platz gegriffen [habe]”.[8] Auf dieser Tagung hoben dann K. Haushofer als „Beauftragter des Stellvertreters des Führers” und Präsident der Deutschen Akademie in München sowie C. Uhlig als Beiratsmitglied des DAI die engen Verbindungen bzw. die Einheit zwischen DAI, DA und VDA hervor. Letzterer wurde 1939 der Volksdeutschen Mittelstelle (Vomi) unterstellt und damit gleichgeschaltet. Das DAI stand nach 1934 seinerseits unter massiven Eingriffen der Auslandsorganisation der NSDAP. Dies bewirkte nicht zuletzt 1938 eine Neuorganisation der seit 1934 in Marburg angesiedelten Überseedeutschen Forschungsgemeinschaft in Verbindung mit der Forschungsstelle für das Überseedeutschtum in Hamburg.[9]

Anhand der Berichte der ÜFG hätte Fahlbusch aufzeigen können, dass die WFG auf nationalistische, antifranzösische Heimatvereine des Saar-Nahe-Moselraumes zurückzuführen ist, die nach Unterzeichnung des Waffenstillstandes und der Versailler Verträge bemüht waren, „Vaterlandsliebe und Nationalstolz neu zu wecken”. Unter Führung des Eifelvereins und Beteiligung des Bonner Instituts für geschichtliche Landeskunde wurden von diesen Lokalvereinen schon sehr früh Studien zur deutschen Überseeauswanderung angeregt und durchgeführt.[10] Knapp, aber nicht zutreffend stellt Fahlbusch fest: „Der Geograph Walter Geisler wurde von der WFG in Aachen nach dem Osten versetzt” (S. 185). Richtig ist vielmehr, dass Geisler 1938 als Nachfolger von M. Friederichsen in Breslau im Gespräch war[11], aber erst 1941 von Aachen an die Reichsuniversität Posen berufen wurde. Für diesen Wirkungsbereich hatte er sich, wie E. Wunderlich aus Hannover, durch seine bei der Landeskundlichen Kommission 1915-1918 in Warschau erworbenen Kenntnisse empfohlen und war seit 1938 in der „Ostarbeit” beratend tätig. Die bei Fahlbusch (S. 139/140) erwähnte Kontroverse zwischen dem Leiter des Bonner Instituts, F. Steinbach und seinem Aachener Kollegen Geisler beruhte auf dessen 1937 veröffentlichtem Buch über den „Grenzraum zwischen West- und Mitteleuropa”. Aus historischer Sicht wies Steinbach in einem Gutachten auf die „unwissenschaftliche Arbeitsweise” des Verfassers hin. Geradezu „unerträglich” waren für ihn die „Bemerkungen über das ‘keltoromanische Einheitshaus’ in den Alpen und den angeblich ‘französischen Haustypus’ im östlichen Lothringen” sowie der Satz: „‘In Luxemburg spricht die Bevölkerung deutsch, aber die Kultursprache ist französisch’”. „Angesichts solcher Entgleisungen” hielt er die Verbreitung des Buches „im Interesse des Ansehens der deutschen Wissenschaft und der volksdeutschen Arbeit in den westlichen Grenzlanden” für unerwünscht.[12] Kann man aus diesem Vorgang und dem damit verbundenen Schriftwechsel zwischen Thorbecke und Meynen auf eine Kontroll- bzw. Zensurfunktion der VFG schließen (Fahlbusch, S. 139)?

Eine für die Geographie schon in der Zwischenkriegszeit nicht unbedeutende Institution, auf die sich Fahlbusch bezieht, ist das auf eine Initiative A. Stübels im Jahr 1892 zurückgehende Museum für Länderkunde in Leipzig (Hönsch 1995; Mayr u.a. 1996). Das Museum[13] hatte schon 1930 eine Saarland-Sonder-Ausstellung präsentiert, die nach 1933 auf Anweisung des Reichspropagandaministeriums auch in anderen deutschen Großstädten, darunter Köln[14], gezeigt wurde. 1939 folgte mit ähnlich völkisch-propagandistischer Intention die Ausstellung „Der neue Reichsgau – Sudetendeutsches Land und Volk”. Diese Zusammenhänge gibt Fahlbusch unkorrekt wieder, obwohl ihm die Ausführungen von Hönsch (1995) durchaus bekannt sein müßten.[15] Das Museum für Länderkunde wurde am 27.5.1942 auf Betreiben des seinerzeitigen Leiters R. Reinhard und des Leipziger Oberbürgermeisters per Verordnung in „Deutsches Institut für Länderkunde”[16] umbenannt und gleichzeitig als eine Körperschaft des öffentlichen Rechts in den Rang eines Reichsinstitutes erhoben. Es war also keineswegs wie Fahlbusch (S. 545) behauptet, eine Gründung unter Beteiligung der Abteilung für Landeskunde im Reichsamt für Landesaufnahme (AFL) unter Leitung von E. Meynen. Dieser dürfte bei der Festveranstaltung anlässlich der Umbenennung lediglich als Regierungsvertreter zugegen gewesen sein, da § 8 der neuen Satzung des Instituts eine „Verbindung mit der Partei [und] mit den zuständigen Landes- und Reichsbehörden” festlegte (Reinhard 1944, 27). Nicht auszuschließen ist, dass Meynen in der Arbeit und im Auftrag des Deutschen Instituts für Länderkunde eine unliebsame Konkurrenz erblickte, weil auch hier Politikberatung betrieben und „kriegswichtiges” Forschungsmaterial u.a. in Form von Luftbildern gesammelt wurde, dessen alleinige Kontrolle er für sich bzw. seine Dienststelle beanspruchte.[17]

Von anderer Qualität und Organisationsform, aber für die Volkstumsarbeit und -propaganda nicht minder bedeutend, waren die zahlreichen lokalen, in der Deutschen Kolonialgesellschaft zusammengeschlossenen Kolonialgesellschaften[18], deren Organ „Koloniale Rundschau” vom Außenministerium in nicht unerheblichem Umfang finanziert wurde. Als Institution mit langer Tradition muß nicht zuletzt auch der Deutsche Geographentag[19] bzw. der Zentralausschuß des Deutschen Geographentages genannt werden[20], deren Funktion und Wirkungsfeld Fahlbusch unzureichend oder sogar falsch darstellt.

Weitere, zwischen den Zeilen angedeutete, aber in ihrer Tragweite nicht eigentlich thematisierte Rahmenbedingungen für Hochschule und Wissenschaft bestanden in den 30er und 40er Jahren in der in fast allen Fachgebieten sehr geringen Planstellenzahl für den wissenschaftlichen Nachwuchs, der eine vergleichsweise hohe Zahl habilitierter Wissenschaftler gegenüberstand. Zudem war eine akademische Karriere seit 1933 nur noch nach Teilnahme an einem Dozentenlager, Schulungsabenden und bei Mitgliedschaft in einer NS-Organisation möglich. Die zukünftigen Professoren sollten sich erst körperlich und weltanschaulich bewähren bevor sie Studenten unterrichten durften. Hitlers Misstrauen gegenüber Intellektuellen und Wissenschaftlern, die Blockierung von Stellen und der nur zögerliche Ausbau der Institute bzw. Seminare an den alten Hochschulen während der NS-Zeit haben nicht zuletzt zum Diktum der Wissenschaftsfeindlichkeit des NS-Systems und zum „Abwandern” junger Geographen in die Heeresdienststellen beigetragen.

Bis Mitte der 30er Jahre ließ sich das Missverhältnis zwischen Stellen und habilitierten Bewerbern noch über die Forschungsförderung der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft überbrücken. Mit Begründung des Reichsforschungsrates, der die Notgemeinschaft bzw. die DFG nach und nach zur Zahlstelle degradierte, wurden nur noch Projekte gefördert, die als „kriegswichtig” anerkannt waren. Die Entscheidung darüber oblag weniger wissenschaftlichen Gremien, als vielmehr dem Reichsforschungsrat, den Ministerien, den Heeresdienststellen und nicht zuletzt den wissenschaftlichen Organisationen der NSDAP. Dass über diese Institutionen erhebliche Geldmittel für die „Forschungsförderung” im „Dritten Reich” bereitgestellt wurden, belegt Fahlbusch ebenso eindeutig wie Hammerstein (1999). Wer hiervon als Wissenschaftler partizipieren und dann möglicherweise auch vom Wehrdienst befreit werden wollte, mußte sich in die „kriegswichtigen” Forschungsprogramme ein- bzw. unterordnen. Erleichtert wurde diese Entscheidung nicht nur durch die national-konservative Grundeinstellung vieler Wissenschaftler, sondern auch durch die Attraktivität „neuer”, herkömmliche Fachgrenzen übergreifender Forschungsaufgaben.[21]

Die von Fahlbusch angesprochenen „unüberbrückbaren Differenzen” (S. 40) bezüglich der wissenschaftlichen Definition des Deutschlandbegriffes resultierten aus dem in der Landes- und Volkstumsforschung zu Beginn der 30er Jahre vollzogenen Wechsel von der „Grenzpolitik” zur „Raumpolitik” und der Betonung des deutschen „Volks- und Kulturbodens”. Damit war aber, entgegen der wiederholten Behauptung Fahlbuschs, kein „Paradigmenwechsel von etatistischen zu ethnozentrierten Theoremen” (S. 65) verknüpft. Das etatistische Nationalverständnis war während der Kaiserzeit in Anlehnung an Ratzel oder Kirchhoff, der den „natürlichen Staatsraum” Deutschland[22] mit opportunistischen Begründungen an das historische Faktum „Kleindeutschland” angepaßt hatte, eine mögliche methodologische Konsequenz des klassischen Mensch-Natur-Paradigmas der Geographie (vgl. hierzu Schultz 1987; 1995). Neben die bis dahin üblicherweise gesuchten und gefundenen physisch-geographischen, d.h. natürlichen Abgrenzungskriterien traten aber schon kurz nach 1900 volkstumsorientierte, aus Sicht einiger Fachvertreter nicht minder natürliche, über Sprache, Hausformen oder Rechtssysteme definierte Kriterien. Je mehr sich Geographen in den alldeutschen Diskurs einfügten, um so gewichtiger wurden in ihren Argumentationen ethnographische Karten und Verweise auf das Auslandsdeutschtum (Bendick 2000). Während des Ersten Weltkrieges forderte Dix (1914) in der Geographischen Zeitschrift Korrekturen der Landkarte, die Deutschland zu seinen Gunsten herbeiführen müsse. Im Westen gelte es, die lothringisch-belgische Industrie- und Bergbauregion, die ein „zusammenhängendes Ganzes” darstellt, in das Deutsche Reich zu integrieren. Außerdem müsse unabhängig von der Frage der Zukunft Belgiens am Kanal ein „Küstenstrich von einflußreichster Lage gegenüber England, etwa von Ostende bis zur Mündung der Somme”, unter deutsche Kontrolle gebracht werden. Im Sinne deutscher Sicherheits- und Wirtschaftsinteressen seien auch die Weichselfrage und die Neuordnung der Kolonialgebiete zu regeln (Dix 1914, 626f). Weiterhin forderte er, nicht erst das Kriegsende abzuwarten, sondern bereits während des Krieges durch sorgfältige wissenschaftliche Analysen Gesichtspunkte für die politischen Ziele aufzustellen. Hierbei sei vor allem die politische Geographie gefordert, die auch vor großen „Entwürfen, die […] auf dem ‘Denken in Erdteilen’ beruhen” nicht zurückschrecken dürfe (Dix 1914, 628). Ein Jahr später stellte Penck fest, „eng und klein ist die Fläche, welche uns Deutschen auf der Erde zur Verfügung steht” und fügte in Argumentationsmustern Ratzels hinzu, „ein wachsendes Volk braucht Raum” (Penck 1915). Im Fazit seines Beitrages zu Band I der „Lebensraumfragen europäischer Völker” konnte er 1941 bruchlos anknüpfen: „Wir haben nur zu erwägen, wie die Verhältnisse zu gestalten sind, damit die Menschheit sich am besten entwickelt, wie ihr Kampf um den Raum am aussichtsreichsten erfolgt, wie sie sich die vielfach widerstrebende Natur am vorteilhaftesten unterwirft. […] Heute kämpft das gesamte deutsche Volk unter seinem Führer um den Endsieg nicht bloß um Wiedergewinnung eines ihm genommenen Besitzes, sondern auch um seine Weltgeltung, die für seine Mitarbeit an den großen Aufgaben der Menschheit unerläßlich ist.” (Penck 1941, 32). Hinweise auf diese und vergleichbar wichtige ideengeschichtliche Zusammenhänge fehlen bei Fahlbusch. Statt dessen bemüht er sich umständlich und widersprüchlich, durch den Kontext keineswegs zwingend, um Ratzels „alpenländisches Deutschlandmodell” (S. 321ff). Fahlbuschs Interpretation bzw. Reformulierung ist eine Collage aus Ratzel und Günthers „Alpenländischer Gesellschaft” (1930). In dessen umfänglichem Werk (über 600 S.) sucht man jedoch vergeblich nach einer Belegstelle für die von Fahlbusch (S. 322) konstatierte Doppeldeutigkeit der „sozialwissenschaftlichen Terminologie” Ratzels. Auf Seite 251 heißt es bei Günther vielmehr: „Erst in zeitraubender Arbeit möchte es gelingen, den Sprachgebrauch Ratzels in einen soziologischen abzuändern” und „so läßt sich bei der ‘Grenze’ geographischer und soziologischer Gehalt ziemlich scharf trennen”.[23]

Im Oktober 1933 richtete der Vorsitzende des Verbandes Deutscher Hochschullehrer der Geographie, L. Mecking, eine Denkschrift an die Unterrichtsbehörde, in der er einleitend auf das große Echo verwies, das „die neue Zeit mit ihren hohen Zielen” unter Geographen hervorgerufen habe. Als Begründung fügte er hinzu, dass die Losungsworte der „völkischen Erneuerung […] wie ‘Blut und Boden’ […] dem Inhalt und Ziel geographischer Forschung, der Synthese von Erde und Mensch” sehr nahe stünden. Zwar befaßten sich auch Geschichte und Volkskunde mit der „Blutsverbundenheit und ihre[n] Auswirkungen”, die Geographie konzentriere aber „alle ihre Fragestellungen auf den Boden, den Raum, die Heimat, die Länder” und es gebe keine andere Wissenschaft, „die so sehr beides zusammen, Boden und Mensch, Land und Volk, in engster Verbundenheit als Endziel ihrer Arbeit” sehe (Mecking 1934, 1).

Entgegen den Behauptungen Fahlbuschs hat sich die geographiegeschichtlichen Forschung in den vergangenen Jahrzehnten sehr ausführlich damit auseinander gesetzt, dass sich zahlreiche Vertreter der Hochschul- und Schulgeographie dem neuen Regime bereitwillig und mit Überzeugung andienten. Da sich NS-Ideologeme offenkundig leicht mit den „alten und neuen Paradigmen und Themen der Disziplin” verbinden ließen, „konnten die politischen Slogans leichter als in manch anderen Disziplinen direkt an die traditionelle Problematik [des Faches] angeschlossen und sozusagen wissenschaftlich sublimiert werden” (Hard 1993, 126, 127). Unverständlich bleibt, warum vergleichbare ideologiekitischen Argumentationen, die die Wurzeln der Deutschtumsideologie in die Weimarer Republik und das Kaiserreich zurückverfolgen, von Fahlbusch beschuldigt werden, die Frage nach dem spezifischen Beitrag der Fachvertreter zur NS-Ideologie zu ignorieren. Durch eine differenzierende paradigmengeschichtliche Analyse in Anlehnung an Eisel (1980) und Schultz (1980) hätte Fahlbusch sogar begreiflich machen können, warum sich unter den Geographen gerade die Völkisch-Konservativen und Staatsautoritär-Deutschnationalen nach 1945 als Verteidiger der unpolitisch-reinen Wissenschaft ausgeben konnten und als solche auch akzeptiert wurden. Derartige disziplingeschichtliche Erklärungen schließen Bewertungen zugrundeliegender Handlungsweisen als „Verleugnung”, „Verschweigen” oder „Verdrängen” keineswegs aus, da im biographischen Kontext zu klären bleibt, ob die beteiligten Wissenschaftler „Fehleinschätzungen” unterlagen oder genau wussten, wem sie mit ihrer Arbeit dienten und welche möglichen Folgen ihre Arbeiten haben konnten. Innerhalb eines totalitären Regimes wird die Unterscheidung von „reiner” und „politisierter” Wissenschaft zwangsläufig problematisch, was am Beispiel der „Aktion Ritterbusch” für die Geographie aufgezeigt werden soll:

 

„Aktion Ritterbusch” oder die Selbstgleichschaltung einer Disziplin

Die Rekonstruktion von Handlungen setzt voraus, dass Handlungsmöglichkeiten, -zwänge und -richtlinien bekannt sind, d.h. Kenntnisse darüber bestehen, wie was funktioniert, wer was wann tun bzw. forschen darf oder muß. Zu den limitierenden Größen zählten in der NS-Zeit nicht nur der kontrollierte Zugang zu Forschungsmitteln und Publikationsmöglichkeiten (Papier) sondern auch die Einordnung in ideologiekonforme Forschungsprojekte. Zu diesen gehörte der für die Geographie nicht unbedeutende, von Fahlbusch bedauerlicherweise nur randlich erwähnte „Kriegseinsatz der deutschen Geisteswissenschaften” unter Leitung des Rektors der Universität Kiel, P. Ritterbusch („Aktion Ritterbusch”)[24], der zugleich Obmann der 1936 gegründeten Reichsarbeitsgemeinschaft für Raumforschung war. Am 3.2. 1940 beauftragten diesen das Reichswissenschaftsministerium und der Reichsforschungsrat, unter ganzheitlicher Perspektive den „Kriegseinsatz” der Geisteswissenschaften zu organisieren, um auf diese Weise dem Ausland die Überlegenheit der deutschen Wissenschaft zu dokumentieren. Für die Geographie übernahm diese Aufgabe der mit Ritterbusch befreundete spätere Vorsitzende des Deutschen Geographentages, O. Schmieder.[25] Das in diesem Zusammenhang von Geographen geplante und z.T. unter der Herausgeberschaft von Schmieder, Schmitthenner und Dietzel schnell verwirklichte „Lebensraumwerk” wurde auf Arbeitstagungen in Kiel (21.-23.4.40), Leipzig (19.-21.7.40), Wien (28.-29.9.40) und Prag (24.-26.3.41) detailliert besprochen (vgl. hierzu auch Schelhaas 1997). Diese Tagungen, auf denen der überwiegende Teil[26] aller aktiven Fachvertreter anwesend war, dienten nicht nur dringend notwendiger inhaltlicher Absprachen sondern auch einer sich bereits auf dem Geographentag in Jena 1936 abzeichnenden „Disziplinierung” und Gleichschaltung des Faches. Zur Magie des Konstruktes von Fahlbusch gehört u.a., dass er aufgrund eines offensichtlich vom Kontext isolierten Dokumentes die Wiener Tagung der Südostdeutschen Forschungsgemeinschaft zuordnet und behauptet, dass Ritterbusch habe das „Lebensraumwerk” „in Kooperation mit der VFG durchgeführt” (S. 622). In Wirklichkeit war das „Lebensraumwerk für die beteiligten Akteure die einmalige Gelegenheit, „[…] interessierte Stellen, AA, KA d. Partei, Epp usw. […] auf die innerhalb der Geographie verfügbaren Kräfte aufmerksam” zu machen, „damit sie sich ihrer bedienen”[27]. Dissens bestand nur bezüglich einer einvernehmlichen Zielvorgabe: Rückgriff auf bereits erzielte Forschungsergebnisse oder Förderung laufender bzw. neuer Forschungsprojekte[28].

Auf der von Dietzel, Schmitthenner, Ritterbusch und Schmieder organisierten Leipziger „Afrika”-Tagung bahnte sich ein Konflikt zwischen den Intentionen Schmieders auf der einen und denen der nicht anwesenden Kollegen Troll und Obst an, der in Prag zu einem offenen Eklat werden sollte.[29] Schmieder plädierte in Leipzig nachdrücklich dafür, keine neuen Forschungsprojekte aufzugreifen, sondern in dem Sammelwerk die bisher in den Kolonialräumen erbrachten wissenschaftlichen Leistungen herauszustellen und engen Kontakt mit der Reichsraumforschung zu suchen, die auch eine Kolonialabteilung eingerichtet habe. Ganz im Sinne Schmieders begründete Schmitthenner diese Kontakte mit dem Hinweis, dass Deutschland „nicht mit liberalistischen Anschauungen, sondern mit Ordnungsgedanken nach Afrika” komme.[30] Trolls dienstlich begründete Abwesenheit veranlasste Schmieder, seinem Kollegen die eigenen Argumente in einem Brief darzulegen:

„Wenn ich die Anregung des Ministers […] weiterleitete, so geschah es, weil ich einsah, dass für unser Fach Lebenswichtiges auf dem Spiel steht und dass unsere selbst berufenen Vertreter schlafen. […] Sollte die Geographie nicht imstande sein, von sich aus zu sprechen und sich darauf beschränken, anonym zu bleiben, d.h. nur auf Anforderung Gutachten etc. für Stellen der Partei, des Staates und der Wehrmacht zu liefern, so besteht die Gefahr, dass wir trotz aller Leistungen schließlich außerhalb des Forschungsrates stehen. […] ich kann Ihren Standpunkt nicht teilen, den Sie in die Worte kleiden: ‘Ich übernehme nur noch auf ganz bestimmten Wunsch einer leitenden Stelle neue Aufgaben’. Die Vertreter eines so wichtigen lebensnahen Faches wie des unsrigen brauchen nicht zu warten bis sie gefragt werden und um zu Gefragtem Stellung nehmen. Das kolonialwissenschaftliche Treffen in Leipzig ging nur aus der Stellungnahme Obst hervor. Sie sehen in der Verwirklichung seiner Pläne die Gefahr ‘einer trostlosen Verarmung der deutschen Wissenschaft’. […] in Leipzig wird übrigens auch Ritterbusch sein. Sie wissen wohl, dass er in der Reichsraumforschung nunmehr einen gesonderten Etat für koloniale Raumforschung bereitgestellt hat. So viel ich weiß hat auch dort Obst als erster Ansprüche angemeldet […].”[31]

Die Argumente richteten sich zunächst gegen Obst, der seit 1937 im Auftrag und mit Unterstützung General v. Epps bzw. des Kolonialpolitischen Amtes der NSDAP eine Arbeitsgemeinschaft „Afrika-Forschungen nach dem Kriege”[32] leitete, in diesem Zusammenhang mit der Herausgabe eines auf 12 Bände angelegten Afrika-Handbuches befaßt war und aufgrund dieser Arbeiten eine Monopolstellung hinsichtlich kolonialer Fragen bzw. Forschungen bekundet hatte. Dies bedeutete aus Schmieders Sicht eine entscheidende Einengung der Forschungsfreiheit. Dass seine Ansprüche nicht minder totalitär waren und ein Abseitsstehen Einzelner von ihm nicht geduldet wurde, offenbarte sich auf der Tagung in Wien, auf der er sich als „Führer” der deutschen Geographie anbot.[33] Die endgültige Entscheidung über die organisatorischen Veränderungen und die Übernahme des „Führerprinzips” fielen offenbar erst auf der Tagung in Prag, auf der 50 von 70 der eingeladenen Fachvertreter anwesend waren.[34]

„Bei dieser Gelegenheit fand auch eine Aussprache über Fragen, die die gesamte Geographie und deren Organisation betreffen, statt. Es wurde u.a. beschlossen: Der Zentralausschuss des Geographentages fällt in Zukunft weg. Der Vorsitzende nennt sich nunmehr Vorsitzender des Deutschen Geographentages […] Dem Vorsitzenden steht ein Stellvertreter zur Seite. Stellvertretender Vorsitzender ist Professor Schmitthenner […] Ein erweiterter Beirat soll Vertreter aus Staat, Partei, Wehrmacht und Wirtschaft umfassen. Die Beiratsmitglieder werden vom Vorsitzenden berufen. Es sind Vereinbarungen getroffen, um die Beziehungen zu den Geographen der Nachbarländer in Bälde vor allem auf kleineren Arbeitstagungen aufzunehmen. Professor Metz teilte die Errichtung einer Abteilung für Landeskunde im Reichsamt für Landesaufnahme mit. Diese Abteilung übernimmt die Aufgaben der Zentralkommission für wissenschaftliche Landeskunde von Deutschland. Die Arbeiten der Abteilung für Landeskunde, die unter der Leitung von Dozenten Dr. Meynen stehen wird, erfolgen auch weiterhin im engsten Einvernehmen mit dem Deutschen Geographentag. […] Ein engerer Zusammenschluss der Geographischen Gesellschaften unter der Führung des Geographentages wurde als dringend notwendig bezeichnet.”[35]

Mit diesem Rundschreiben (vgl. auch Schmitthenner 1941) dokumentierte Schmieder seinen Führungsanspruch und klammerte Vorwürfe hinsichtlich „unerwünschter Extratouren” Trolls aus.[36] Gemeint war damit dessen Übernahme eines Referates für Geographie und Landeskunde in der kolonialwissenschaftlichen Abteilung des Reichsforschungsrates unter Leitung von G. Wolff, das Mentzel und Ritterbusch aber Dietzel und damit dem „Lebensraumwerk” zugedacht hatten (vgl. hierzu auch Böhm 1995). Troll bereinigte die Unstimmigkeiten indem er auf das Referat, das er nur „auf Druck von oben” angenommen hatte, verzichtete und in das von Wolff neu geschaffene Expeditionsreferat wechselte.[37]

Die Neuorganisation des Geographentages unter Schmieder war ein willkommener Anlass für Troll, Organisation und Leitung eines Reichsarbeitskreises Geographie im NS-Dozentenbund, um die ihn der Reichsdozentenführer[38] gebeten hatte, abzulehnen. Als Alternative empfahl er Ende Januar 1941, eine größere Zahl von Geographen zu dem „[Dozenten-]Lager der Germanisten und Historiker” des NSD im April 1941 einzuladen, da die Behandlung des vorgesehenen Themas „Entstehung der Bevölkerung Europas” durch die Beteiligung von Geographen nur gewinnen könne. „Aus der Arbeit eines solchen Lagers würde sich wohl auch am besten ergeben, wer für derartige kultur- und anthropogeographischen Fragen die Führung übernehmen kann.”[39] Hierzu erklärte sich Dietzel bereit, der seit Herbst 1940 einen kolonialwissenschaftlichen Arbeitskreis im NSD leitete.[40]

Noch ehe die Differenzen mit Schmieder beigelegt waren, deutete F. Metz im Brief vom 16.5.41 Troll einen weiteren Disziplinierungsschritt der deutschen Geographie an: „Eines ist sicher, wir können keine Sonderaktionen mehr brauchen, vor allem nicht solche der Berliner Gesellschaft für Erdkunde […] Schmieder hat den richtigen Weg geschritten [sic], und wir müssen zur Bildung einer Deutschen Geographischen Gesellschaft kommen, bei der die Berliner Gesellschaft die ihr gebührende Stellung einnehmen soll.”[41]

Mit „Sonderaktionen” spielte Metz auf eine Sitzung der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin an, die am 25.11.40 auf Einladung und unter Leitung des damaligen Vorsitzenden Exzellenz Schmidt-Ott stattgefunden hatte. Im Protokoll der Sitzung, an der die Herren Cloos, Credner, Defant, Dörries, Hassinger, A. Haushofer, Jessen, Kayser, Krebs, v. Niedermayer, Stille, Troll, v. Wissmann, Wüst und Schmidt-Ott teilnahmen, wird darauf verwiesen, dass dem Vorsitzenden „auf Grund gewordener Beauftragung daran gelegen sei, mit der heutigen Sitzung für wichtige wissenschaftliche Forschungen, die zum Teil nach dem Kriege, zum Teil schon vorher in Angriff genommen werden können, die nötigen Unterlagen zu gewinnen.”[42] Wer Auftraggeber war, wird nicht erwähnt.[43] Wichtiger ist in diesem Zusammenhang der Verweis auf die hektographiert vorgelegten und eingehend diskutierten „Vorschläge über künftige große Forschungsaufgaben” von Defant und Troll, in denen u.a. das große Interesse der Wehrmacht an zukunftsweisenden Forschungen erwähnt wird. Ergebnisse dieser Sitzung faßte Troll am 19.12.40 in einem Schreiben an den Reichsdozentenführer (NSD) wie folgt zusammen:

„Wir haben dann ganz besonders zwei Aufgaben ins Auge gefasst, die ich auch schon vor einigen Monaten dem Stifterverband der Deutschen Forschungsgemeinschaft als große zukünftige Forschungsaufgaben vorgeschlagen hatte, nämlich 1) eine große afrikanische Forschungsexpedition unter Zusammenarbeit von photogrammetrischer Luftaufnahme und vielseitiger wissenschaftlich-wirtschaftlicher Bodenforschung und 2) einen Einsatz der Luftbildforschung bei den vordringlichen Arbeiten in den Südostländern. Im Augenblick erscheint mir eine solche Arbeit für den Wirtschaftsaufbau in Rumänien von aktuellster Bedeutung, weil dort die Luftwaffe die entsprechenden Aufnahmen ausführen und der wissenschaftlichen Auswertung sicherstellen kann. Es handelte sich bei diesen Besprechungen also um unmittelbare Forschungsaufgaben, die in Angriff genommen werden könnten, sobald einerseits die nötigen Kräfte durch die militärische Entwicklung freigegeben werden können und die entsprechenden Forschungsräume für uns zugänglich sind.”[44]

Wie dem Brief ebenfalls zu entnehmen ist, hatte Troll diese Vorschläge schon Anfang November 1940 im Reichsamt für Wirtschaftsaufbau (Dr. Bauer) vorgetragen und beide Gelegenheiten benutzt, um die Organisation eines Arbeitskreises Geographie im NSD[45] zu sondieren. Im Vergleich zu dem auf einem traditionellen Forschungs- und Wissenschaftskonzept entwickelten „Einsatz der Geisteswissenschaften” wiesen die Vorschläge von Troll und Defant durchaus zukunftsweisende, moderne methodische Konzepte auf.

Im Anschluss an die Wiener Tagung hatte Schmieder Ende Oktober 1940 in Schreiben an Reichsmarschall Göring[46] und das Reichserziehungsministerium einen Vorschlag zur Gründung einer „Deutschen Geographischen Gesellschaft” vorgelegt (Rössler 1990, 35f; Schelhaas 1997), offensichtlich in der Absicht, seinen Führungsanspruch auch auf höchster Regierungsebene anzumelden und konkurrierende „Sonderaktionen” zu unterbinden. Dieser und ein mit ähnlichen Intentionen bereits Ende 1939 durch Obst unterbreiteter Vorschlag waren Gegenstand einer Vorstandssitzung der Berliner Gesellschaft am 9.6.41.[47] Zwei Tage später schrieb Schmidt-Ott an Troll: „Nur Ihnen möchte ich vertraulich mitteilen, dass ich gestern mit Hr. Mdir. Mentzel eine eingehende Aussprache hatte, in der ich über die bereits weit fortgeschrittene Tätigkeit des mit der Leitung der geographischen Arbeitsgemeinschaft betrauten Prof. Schmieder orientiert wurde, aber doch kein Einverständnis mit unserer alsbald unternommenen Initiative errang.”[48] Die für die Gründung der Deutschen Geographischen Gesellschaft entscheidende Sitzung fand am 7.7.41 unter Beteiligung der Herren Mentzel, Ritterbusch, Schmieder, Hassinger, Credner, Behrmann, Dietzel, Luther, den Konteradmirälen Kurze und Conrad sowie den Herren Defant, Diels, Krebs, Wüst, von zur Mühlen, Schmidt-Ott und Kayser statt. Der Vorsitzende der Berliner Gesellschaft hatte nur einige Vorstandsmitglieder zu dieser Sitzung gebeten, weil es missverstanden werden konnte, wenn man den 7 geladenen Gästen mit 13 Vorstandsmitgliedern entgegenträte.[49] In einem über das offizielle Protokoll hinausgehenden Schreiben berichtete K. Kayser am 14.7.41 Troll:

„[…] Wesentlichster Punkt war, dass Mentzel, der mit Ritterbusch und Schmieder mit sichtlich vorher vereinbarter Marschroute erschienen war, von vornherein und durchaus überraschend den viel grösseren Plan der Zusammenfassung nicht nur der Geographischen Gesellschaften, sondern auch der Arbeitsgemeinschaft Schmieder (die damit also sichtlich zu einer Dauereinrichtung werden soll unter dem Titel Forschungsgemeinschaft deutscher Geographen) und schliesslich des Museums für Länderkunde in einer grossen geschlossenen Vereinigung darlegte. […] Das Ganze wurde als absoluter Wunsch des Reichserziehungsministeriums vorgetragen und ebenso von Mentzel mitgeteilt, dass das Ministerium Schmieder als den zukünftigen Leiter der Deutschen Geographischen Gesellschaft betrachte. […] Besser sieht es mit der Zeitschrift aus. Hier war wohl Schmieder selbst überrascht, wie einheitlich auch von sämtlichen auswärtigen Vertretern betont wurde, dass keine neue Zeitschrift begründet werden solle und nur eine, nämlich unsere Berliner Zeitschrift unter Beibehaltung ihres alten Namens zu der führenden geographischen Veröffentlichung Deutschlands ausgebaut werden müsse. Hier stehen aber meines Erachtens noch weitere Kämpfe mit Schmieder bevor […]”[50]

Mit der Konstituierung der Deutschen Geographischen Gesellschaft am 23.7.41 in den Räumen des Geographischen Institutes in Berlin wurde die Neuorganisation vorerst abgeschlossen. Einer breiteren Öffentlichkeit wurde die Gesellschaft erstmals durch die internationale Arbeitstagung in Würzburg (17.-19.3.42) bekannt.[51] Als wesentliche Ergebnisse dieser Tagung stellte Schmieder in einem „vertraulich” gekennzeichneten Rundschreiben vom 28.3.42 (Poststempel) heraus, dass die 2. Auflage des Sammelwerkes „Lebensraumfragen Europäischer Völker” „zu einer Stellungnahme europäischer Geographen zu den Problemen der Zeit erweitert werden” könne, den ausländischen Kollegen „die Lösung der Deutschen Geographie von der Internationalen Union mitgeteilt” worden sei und „die notwendigen Schritte zur Bildung des Präsidiums eines neuen freien Internationalen Geographenkongresses unternommen” seien[52] (vgl. hierzu auch Praesent. 1942). Auf S. 725/726 erwähnt Fahlbusch einen „deutschen Schlag”, der sich 1940 gegen die Internationale Geographische Union (IGU) gerichtet und zur Beschlagnahme von Aktenmaterial geführt habe. Diese von E. de Martonne 1950 publizierte Aussage wird in der von Fahlbusch zitierten Literaturstelle (Robic u.a. 1996, 313) jedoch stark bezweifelt. Woher Fahlbusch die Gewissheit für die Richtigkeit seiner Feststellung nimmt, belegt er nicht. Völlig falsch ist die Bemerkung, L. Mecking sei 1940 Vizepräsident der IGU gewesen. Von einem maßgeblichen Einfluss der „zentralisierten” Geographie in der Geschäftsstelle der VFG (S. 795) kann auch nicht die Rede sein.

Ende 1944 teilte Schmieder den Beiratsmitgliedern der Gesellschaft mit, dass er den Leiter der Forschungsstaffel z.b.V. Oberleutnant Schulz-Kampfhenkel zum neuen Präsidenten der Gesellschaft bestimmt habe. Er begründete diesen Schritt damit, dass seine Hoffnungen hinsichtlich der Beteiligung der Geographie an kriegswichtigen Aufgaben nicht in Erfüllung gegangen seien, vielmehr andere „militärische Dienststellen, die der Kriegsführung die notwendigen geographischen Unterlagen zur Verfügung stellten”, entstanden seien. Leiter einer dieser Dienststellen sei Schulz-Kampfhenkel, der zudem „schon am 2.5.43 als Beauftragter für Sonderaufgaben der erdkundlichen Forschung in den Reichsforschungsrat aufgenommen” worden sei (Böhm 1991, 291). Mit dieser Aktion wurde die Deutsche Geographische Gesellschaft gegen Kriegsende über die Person Schulz-Kampfhenkel indirekt dem Reichssicherheitshauptamt unterstellt, worauf Fahlbusch (S. 573) ebenfalls hinweist, ohne allerdings die weiteren Zusammenhänge darzulegen. Die von der Berliner Gesellschaft seit 1938 durch Schmidt-Ott, Troll und Bobek mit wechselndem Erfolg praktizierte systematische Sammlung von Luftbildern und die in diesem Zusammenhang notwendige Kooperation mit militärischen Dienststellen sowie die praktische Verwendung der Luftbildforschung in den nordafrikanischen „Forschungseinsätzen”[53] bzw. im Rahmen der Ostforschung haben die „Amtsübernahme”, d.h. die Inkorporation in die SS-Organisation indirekt gefördert. Schmieder hatte offenbar zu spät erkannt, dass „diese ganzen Dinge [Kolonial- und Südostfragen] […] heute viel akuter von anderen staatlichen Stellen bearbeitet [werden], von denen Wissenschaftler [nur] von Fall zu Fall gutachterlich herangezogen werden”.[54] Tatsächlich lassen sich auch zwischen dem „Lebensraumwerk” und den Umsiedlungsmaßnahmen in Südosteuropa Verbindungen herstellen,[55] allerdings nicht auf der von Fahlbusch (S. 622) unterstellten Ebene.

In den letzten Kriegsjahren war die Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin über ihren Vorsitzenden den Gesandten Dr. Asmis mit dem AA, dem Kolonialpolitischen Amt der NSDAP und über dieses bzw. über G. Wolff wiederum mit der Kolonialwissenschaftlichen Abteilung des Reichsforschungsrates verbunden, der 27 Fachgruppen sowie ein kolonial-kartographischer (Behrmann) und ein Expeditions-Ausschuss (Troll) unterstanden (Böhm 1995, 136). Die Fachgruppe „Geographie und Landeskunde” stand über ihren Leiter Dietzel in direkter Beziehung zu Schmieder, d.h. zur „Aktion Ritterbusch”. Auf der ersten Gutachtertagung der Kolonialwissenschaftlichen Abteilung des Reichsforschungsrates am 17. und 18.9.41, auf der auch Reichserziehungsminister Rust, General Ritter v. Epp, Mentzel, Vertreter des AA, des Propagandaministeriums, des OKW, des RSHA, des „Ahnenerbes” (Schäfer) und Vertreter der Auslandsorganisation der NSDAP  zugegen waren, referierten Wolff, Wagner[56], Obst sowie 30 Fachgruppenvertreter[57]. Die konstituierende Arbeitstagung der Fachgruppe „Koloniale Geographie und Landeskunde” hatte unter Leitung von Dietzel bereits am 23.7.41 mit 21 Vertretern der Hochschulgeographie[58], einem der Abteilung Landeskunde im Reichsamt für Landesaufnahme (Müller-Miny), zwei Vertretern des Deutschen Museums für Länderkunde (Reinhard und Voppel), der Reichsarbeitgemeinschaft für Raumforschung (Müller), des Kolonialwissenschaftlichen Komitees (Geo A. Schmidt) sowie des OKW in Berlin stattgefunden. Wolff berichtete, dass 1941 schon 185 Forschungsaufträge im Wert von 450.000 RM bewilligt worden seien. Dies waren mehr als 30% der Mittel, die 1941 nach den Ermittlungen von Fahlbusch (S. 124) für die VFG bereitgestellt wurden. Angesichts dieser erheblichen „Forschungsförderung”, in der die Unkosten der beiden Luftbildexpeditionen nach Nord-Afrika nicht enthalten sind, muß die von Fahlbusch (S. 442) getroffene Feststellung, die von Hitler 1936 inszenierte Kolonialkampagne sei „nur ein Ablenkungsmanöver [gewesen], um damit die kontinentalen Forderungen in Mitteleuropa umgehend […] verwirklichen” zu können entschieden relativiert werden. In den Argumentationen der kolonialwissenschaftlichen Organisation waren wie in denen der Überseedeutschen Forschungsgemeinschaft Kolonien, insbesondere Nordafrika, ebenso „Ergänzungsräume” wie Ost- und Südosteuropa[59], waren doch die Hauptakteure auf den verschiedenen institutionellen Ebenen identisch.[60]

Kontextualisierungen

Fahlbusch weist unter Bezug auf zahlreiche Belegstellen darauf hin, dass die „Friedensarbeit” der Forschungsgemeinschaften in der „Abwehrarbeit” und in der Zusammenstellung von Literatur, Statistiken, Karten und Tabellen zu sog. landeskundlichen Studien für „interessierte Dienststellen” bestanden habe. Auf dieses jeweils präzisierte Aufgabenspektrum stößt man in zahlreichen Dokumenten im Politischen Archiv des AA (PAAA), in den Berichten des DAI oder  – bereits im „Kriegseinsatz” – in den Protokollen der Arbeitstagungen der Kolonialwissenschaftlichen Abteilung des Reichsforschungsrates, den Berichten der AFL oder den Beschreibungen der „Handlungsfelder” in der Arbeit von Fahlbusch. Wie und warum sich diese landeskundliche Informationsbeschaffung nach dem „Anschluss” von Österreich und der Annexion des Sudetenlandes sowie Böhmens und Mährens verändert haben soll (S. 469), wird nicht einsichtig. Könnte Fahlbusch damit meinen, dass die von den VFG gesammelten und bearbeiteten Materialien erst mit diesem Zeitpunkt in einem politischen Handlungs- und Wirkungszusammenhang gesehen werden müssen? Wie Briefen des Generalsekretärs der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin, A. Haushofer [61], der als Mitarbeiter des AA an der Ausfertigung und Umsetzung des Münchener Abkommens 1938 beteiligt war, zu entnehmen ist, waren die von der Vomi bereitgestellte Karten Grundlage für die Grenzziehungen. Wissenschaftliche Arbeit und politische Beratertätigkeit vermischen sich in der Folgezeit zusehends. Erstere wird zur kriegswichtigen Auftragsarbeit, bei der der Unterschied von Auftraggeber und Auftragnehmer immer undeutlicher wird.

Fahlbusch sind nicht zuletzt deshalb bei der Präsentation von Fakten sowie der Interpretation einzelner Quellen Fehler unterlaufen, weil er als Gefangener seines eigenen Konstruktes zugehörige Kontexte nicht hinreichend bedachte oder ignorierte. Ein Beispiel hierfür ist der Bericht des SS-Obersturmführers W. Krallert von 1941. Nach diesem bildete die „vollständige Tarnung gegenüber fremdvölkischen Stellen” eine „wesentliche Voraussetzung für die erfolgreiche Arbeit” des SODFG. Daher sollten die Mitarbeiter der Forschungsgemeinschaft im Ausland „grundsätzlich als Einzelwissenschaftler” auftreten.[62] Merkwürdigerweise erwähnt Fahlbusch in diesem Zusammenhang nicht den „Fall März”. J. März wurde Anfang 1939 als Leiter der außenpolitischen Schriftleitung des „Neue[n] Wiener Tagblatt” von Berlin nach Wien versetzt[63], „weil das Wiener Pressewesen in voller Umgestaltung [war] und man für [das] Blatt, das das deutsche Sprachrohr nach dem Südosten sein soll[te], einen Südostspezialisten von Rang benötigt[e]”. K. Haushofer hatte ihn gleichzeitig hinsichtlich einer möglichen Habilitation für Politische Geographie an die Wiener Kollegen Srbik, Hassinger und Oberhummer empfohlen. Hintergrund war die Tatsache, dass die Deutsche Universität in Prag bereits „vor dem Umschwung” in Berlin um die Einrichtung eines Lehrstuhls für Zeitungswissenschaft ersucht hatte, der „in Wirklichkeit aber der Beobachtung verschiedener Fäden dienen soll[te], die wissenschaftlich und anderweitig zwischen den Tschechen und den südöstlichen Slawenvölkern, Rumänien usw. hin und her laufen. Besonders die Wehrmacht [war] sehr interessiert an einer solchen Beobachtungsstelle und hätte andernfalls selbst eine eingerichtet.”[64].

Im Einvernehmen mit der DA erfüllte C. Troll 1938 und 1940 im Auftrag des AA in den Ländern Südosteuropas einen kulturpolitisch „umfassenden Einsatz”[65]. Da er nicht „Mitarbeiter” der SODFG war, entstanden bei Hassinger und in der P-Stelle Wien der Eindruck, die Auftragsarbeiten könnten von Wien nach Berlin abgezogen werden. Unmittelbarer Anlaß der ersten Reise nach Rumänien waren die durch Tulescu bereits weit vorangetriebenen Arbeiten an einem gemeinsam geplanten Wirtschaftsatlas über Rumänien. Anlässlich des 50jährigen Arbeitsjubiläums von P. Langhans sollte 1939 als erstes Blatt des Atlas eine von Langhans entworfene und kommentierte ethnographische Karte Rumäniens in Petermanns Mitteilungen erscheinen. Karte und Text wurden nur in geringer Zahl als Sonderdruck aufgelegt, nicht aber in Petermanns Mitteilungen abgedruckt. Auf das letztgenannte Faktum weist Fahlbusch (S.653) auch hin, jedoch hätte er in den zitierten Dokumenten des PAAA den handschriftlichen Vermerk „Das Verbot ist vom Promi ausgesprochen” nicht übersehen dürfen.[66] Dann hätte er weder dem Verlag eine interne Zensur unterstellen noch behaupten können, dass „damit ein weiterer Beleg dafür vor[läge], dass Mitglieder der VFG für die Zensur in historisch-geographischen Publikationen verantwortlich waren”[67] Das Publikationsverbot des Propagandaministeriums resultierte aus dem Vorwurf, die Karte fördere die feindliche These von der Auflösung des deutschen Volkstums im Südosten. Formal-kartographische Einwände, die auch Troll teilte, waren hier nicht ausschlaggebend. Eine inhaltliche Begründung lieferte die Volksdeutsche Mittelstelle am 28.9.39 in einem Schnellbrief an J. Perthes in Gotha:

„Diese Karte ist volkspolitisch untragbar. Die vom Verfasser angewandte Darstellungsmethode lässt das Deutschtum in Rumänien […] weitgehendst verschwinden […] Der Verfasser hat das Unzulängliche seiner Darstellungsweise selbst empfunden und die statistischen Minderheitengruppen durch Zeichen darzustellen versucht. Diese Darstellung stützt vollinhaltlich die rumänische These. Denn durch diese punktweise Fixierung der Deutschen wird die immer wieder feindliche These von der völligen Auflösung des Deutschtums, in Sonderheit in Siebenbürgen, in jeder Weise gestützt. Im übrigen vernachlässigt die Karte das deutsche Namensgut in unverantwortlicher Weise. Nur bei einigen grösseren Orten ist der deutsche Name in Klammern hinzugefügt worden. […] Die Volksdeutsche Mittelstelle legt den allergrössten Wert darauf […] die Veröffentlichung der Karte zu unterbinden.”[68]

Gegenstand der Kritik war also keineswegs wie Fahlbusch (S. 653) unterstellt, dass die „Einzeichnung des Auslandsrumänentums entlang Rumäniens Grenzen weitere ethnopolitische Entscheidungen möglicherweise vereitelt hätte”. Das von ihm in diesem Zusammenhang zitierte Gutachten Krallerts wurde erst einen Monat nach dem Publikationsverbot an das AA übermittelt. Die darin vorgetragenen Einwände gegen die von Langhans publizierten Daten sind mit Ausnahme eines geringfügigen Rechen- oder Druckfehlers unbegründet. Ärger erregt hatte offenbar, dass Langhans von „Minderheiten” und „Mehrheiten” sprach und nicht von „Volksguppen”. Weit wichtiger war, dass Krallert den Alleinvertretungsanspruch der SODFG in Fragen der Volkstumspolitik in Südosteuropa gefährdet sah, zumal er feststellen mußte, dass auch beim ‘Handwörterbuch des Grenz- und Auslanddeutschtums’ eine Volkstumskarte Rumäniens, allerdings im Auftrag der Wehrmacht und des VDA bearbeitet wurde.[69] Daher der dezidierte Verweis auf die mit Unterstützung des AA bei der SODFG angelaufenen Arbeiten an einer „exakte” Volkstumskarte, die ebenso „Grundlage diplomatischer Verhandlungen [wie auch] verwaltungsmässiger Festlegungen sein kann”[70]. Die in diesem Zusammenhang von Fahlbusch erwähnte (S. 653) Verbalnote der rumänischen Gesandtschaft an das AA beruhte auf der von Fahlbusch übersehenen Tatsache, dass die rumänische Regierung die Atlasarbeit maßgeblich unterstützt hatte und Tulescu als Bearbeiter und Mitherausgeber inzwischen Sekretär der rumänischen Gesandtschaft war.[71] Einer handschriftlichen Stellungnahme in den Akten des AA aus dem Jahr 1944 ist zu entnehmen, dass die mit der Langhans-Karte verbundene Hektik nicht zuletzt durch die Umsiedlungspläne im Südosten ausgelöst wurde.[72]

Kaum nachvollziehbar sind die überwiegend auf Sekundärliteratur basierenden Ausführungen Fahlbuschs (S. 570f) über das Institut für Deutsche Ostarbeit in Krakau. Eine Analyse von Originalarbeiten hätte unschwer ein klareres Bild dieser Neugründung zur Aktivierung der landeskundlichen Arbeit im Osten vermitteln können. Im Vorwort zu Bd. 1 der Schriftenreihe des Instituts hob H. Graul hervor, dass durch „die Wiedergewinnung des deutschen Volksbodens im Osten und die Eroberung des deutschen Kulturbodens im Weichselland und im ehemaligen Galizien […] die Grundlage für eine endgültige politische Bereinigung […] der […] ‘Erscheinungen der zwischeneuropäischen Gefahrenzone’, gut deutsch […] ‘polnische Wirtschaft’” geschaffen worden sei. „Die Neuordnung jenes alten Kulturraumes” sei „ohne Zweifel eine der schönsten Ostaufgaben des deutschen Volkes” (Graul 1943, S. 7). Da das Deutschtum, sofern es sich sprachlich erhalten habe, völlig erfaßt sei, gehe es jetzt darum, „das sprachlich im Polnischen versickerte, aber biologisch und kulturell noch lebendige Deutschtum älterer Einwanderungen” zu ermitteln (Graul 1943, S. 8). Um die Räume deutscher „Kulturkraft” von denen polnischer „Kulturpassivität” zu unterscheiden, böten Siedlungs- und Flurformenforschung die geeigneten Instrumente. Der „landeskundliche” Auftrag bestand darin, eindeutige Kriterien für die Abgrenzung des „deutschen Mitteleuropa” von dem „fremden Osteuropa” zu liefern, d.h. das „Übergangsland” sollte „regermanisiert” werden. Dazu gehörte nicht nur der Nachweis des ehemaligen deutschen Kulturbodens, sondern auch der Beweis, dass einem „Leistungsvolk” ein naturbestimmter Lebensraum zugewiesen ist. Daher gelte es, die natürlichen Einheiten zu erkennen und danach die politischen Verhältnisse neu zu ordnen. Da durch die „Umvolkungs- und Ausmerzungsvorgänge” der Vergangenheit mitteleuropäische „natürliche Landschaften” „zerstört” worden seien, gelte es, durch eine „der Natur entsprechende Wiederaufforstung” die ursprüngliche „Stellung” zurückzugewinnen (Graul 1942). Mit dieser Argumentation wird nicht zuletzt die „Kriegswichtigkeit” von Vegetationskarten und Karten der naturräumlichen Gliederung unterstrichen. Fahlbusch (S. 574) etikettiert diese Ausführungen Grauls völlig unzutreffend als im Ansatz „geodeterministisch” und „regressiv”, sie müssen vielmehr als Bestandteil der radikalen ethnopolitischen, rassistisch- antisemitischen Ordnungsvorstellungen des Krakauer Instituts gesehen werden wie auch dem Beitrag Plügels (1942) im Anschluss an den Aufsatz Grauls leicht zu entnehmen ist. Plügel (1942) beschreibt  das dem „Ostrassenkreis” zugehörige Polentum mit seinem „hohen Anteil von Grob- und Primitivformen” und hebt hervor, dass die „gesamte Zucht dieses Raumes […] durch lange Zeit vollkommen schief gelaufen und auf ein unheroisches Ideal gestellt worden” sei (Plügel 1942, S. 360). Wenig „assimiliert und vermischt” sei dagegen das „Ostjudentum”, das als „‘Ferment der Dekomposition’ die europäischen Länder überflutet” habe. Jetzt aber seien im Generalgouvernement „durch die Rückführung der Juden in die Ghettos” „die ersten Grundlagen zur endgültigen Lösung der Judenfrage” geschaffen worden (Plügel 1942, S. 357). Bei der Darlegung dieser, wie mancher anderer Aussagen und Zusammenhänge hätte sich Fahlbusch vom Kontext seiner Sekundärquellen lösen und auf die Primärliteratur zurückgreifen müssen. Aber auch dort, wo Fahlbuschs Ausführungen offensichtlich auf Originalarbeiten basieren, stellen sich immer wieder Fehlinterpretationen ein, so z.B. bei den Bezügen auf Bobeks antisemitischen Beitrag über das „Judentum im osteuropäischen Raum”. Fahlbusch referiert hier mit Verweis auf Bobek „nur die Deutschen hätten seit ihrer Einwanderung ‘sich durch schöpferische Arbeit Heimat geschaffen, während die Juden fremde Gäste’ geblieben wären” (S. 532), damit wird aber Bobeks sozialhistorische Argumentation konterkariert. Im Textzusammenhang Bobeks lautet die zitierte Sequenz:

„Gibt es einen schlagenderen Beweis für das unschöpferische Wesen des jüdischen Städtertums als die Tatsache, daß sie den praktisch so weitgehend von ihnen beherrschten Städten baulich und architektonisch so gut wie nichts Eigenes zu geben hatten, sondern nur im Westen das deutsche, im Osten vielfach das orientalische Gepräge (Bazartypus u.a.) übernahmen und forterbten? Hier wie überall haben die Deutschen sich durch ihre schöpferische Arbeit Heimat geschaffen, während die Juden fremde Gäste blieben.”[73]

Bobek sah „als Gäste”  einerseits das in den Elendsvierteln der Städte lebende „orthodoxe Judentum” und auf der anderen Seite das in Polen im industriellen und nationalstaatlichen Zeitalter gewachsene, assimilierte Judentum westeuropäischer Prägung und fügte hinzu: „[…] der Übergang [zum industriegesellschaftlich, assimilierten Judentum] konnte nicht im Ghetto erfolgen, sondern setzte den Ausbruch aus dem Ghetto voraus” (Bobek 1939, S. 706). Sprach er damit wie Fahlbusch behauptet „de facto der jüdischen Bevölkerung in den Ghettos der osteuropäischen Städte ihre Existenzberechtigung ab”? Wohl kaum. Fahlbuschs detektivischer Spürsinn geht zu weit, wenn er in diesem Zusammenhang darüber spekuliert, ob Bobek über Heydrichs Pläne informiert gewesen sein könne: War doch Heydrich erst am 24.1.39 zum Leiter der „Reichsstelle für jüdische Auswanderung” ernannt worden.

An verschiedenen Stellen weist Fahlbusch auf historiographische Unkorrektheiten und Legenden hin, die entgegen dem aktuellen Forschungsstand in der wissenschaftlichen Literatur eine erstaunliche Persistenz aufweisen. Nun beteiligt sich aber gerade der Kritiker Fahlbusch an nicht unwesentlichen Stellen selbst an der Widergabe von Unkorrektheiten indem er behauptet, dass „im Januar 1942 […] auf der Wannsee-Konferenz der Entschluss zur endgültigen Massenvernichtung der Juden gefaßt” (S. 576, ähnlich S. 91, 530) worden sei. Auf Seite 533 belegt er diese Aussage merkwürdigerweise durch den völlig irrigen Verweis auf G. Aly (1995), um über die an dieser Konferenz nachgewiesene Teilnahme G. Leibbrandts einen Zusammenhang mit den bevölkerungspolitischen Tagungen der VFG herzustellen und die abschließende Aussage eines direkten Zusammenhanges der Volkstumsforschung mit dem Holocaust zu stützen. In der einschlägigen Literatur ist spätestens seit 1991 unbestritten, dass auf der Wannsee-Konferenz keine Debatte der geladenen Ministerialbürokraten mit dem Ziel einer Beschlussfassung über die „Endlösung der Judenfrage” stattgefunden hat, es vielmehr nur noch um die Entgegennahme einer längst getroffenen Entscheidungen und die Besprechung von Durchführungsmodalitäten ging. Die Wannsee-Konferenz war der letzte Schritt auf dem Weg zur Realisierung der „Endlösung” (Aly u. Heim, 1991; Pätzold u. Schwarz, 1992; Jäckel, Longerich u. Schoeps 1993).

Aufgrund von Sekundärquellen konstatiert Fahlbusch, dass die Volkstumsarbeit der WFG „in umfangreichen Deportationen der Bevölkerung nach Frankreich oder in die KZ” (S. 721) mündete. Mit dieser Feststellung bezieht er sich auf die 1940 von den Reichsstadthaltern bzw. Gauleitern J. Bürckel und R. Wagner angeordneten Umsiedlungen und  „Ausweisungen”, die Bestandteil der „bevölkerungspolitischen Maßnahmen” zur „Germanisierung” von Elsaß, Lothringen und Luxemburg waren (S. 712ff). In diesem Kontext vermutet Fahlbusch eine Beteiligung von W. Christaller aufgrund der von diesem für den Reichskommissar für die Festigung Deutschen Volkstums erstellten „Vorschläge zur Neuordnung der Siedlungsstruktur” und glaubt auch eine „Tätigkeit Friedrich Metz’ in unmittelbarem Zusammenhang des Arbeitskreises Umsiedlung der RAG zu sehen” (S. 712). Hätte Fahlbusch die von ihm an anderer Stelle zitierte Arbeit von Meyer (1993) aufmerksamer gelesen, dann wäre ihm nicht entgangen, dass auf Anordnung der Gauleiter in der Nacht zum 22.10.1940 „sämtliche Juden aus Baden und der Saarpfalz in ihren Wohnungen […] festgesetzt und unmittelbar danach in bereitgestellten Eisenbahnzügen [nach Südfrankreich] abtransportiert” wurden.[74] Hier hätte denn auch in Anlehnung an Meyer (1993, S. 82ff) die Tätigkeit des Amtes Ausland/Abwehr unter Canaris und damit eine korrektere Einordnung des „Kolonialgeographen Borchardt” erfolgen müssen. Nicht nur diesem, als Agenten getarnt, sondern auch anderen Verfolgten aus der Pfalz und dem Elsass hatten D. Bonhoeffer und sein Schwager H. v. Dohnanyi seit 1940 im Einvernehmen mit Canaris zur Flucht verholfen.

 

Kontinuität

Leider endet Fahlbuschs Analyse 1945. Die Zeit danach spricht er nur über das Fortbestehen einzelner Institutionen an. Die Kontinuitäten der VFG über das Kriegsende hinaus waren aber vielfältiger. Ein Aspekt dieser Kontinuität dokumentiert sich in den Regalen der Bibliothek der Geographischen Institute in Bonn, in denen die hektographiert publizierten, „nur für den Dienstgebrauch” ausgewiesenen Übersetzungen der P-Stelle Dahlem nach 1947 von entsprechend aufgemachten und deklarierten Übersetzungen aus dem Polnischen oder Russischen des „Deutschen Büros für Friedensfragen” in Stuttgart abgelöst werden. Wie Fahlbusch (S. 773ff) nachweist, konnten sich die Publikationsstellen der VFG gegenüber den westlichen Alliierten durch ihre „wissenschaftlichen Arbeiten” nicht nur entlasten, sondern auch für zukünftige Aufgaben ebenso empfehlen wie die Abteilung für Landeskunde (AFL) oder die Reichsarbeitsgemeinschaft für Raumforschung. Ein Grund für die „Legasthenie” der Besatzungsmächte lag offensichtlich in deren Fixierung auf die Geopolitik und die Person K. Haushofers. Weit wichtiger für die Frage der Kontinuität waren aber die wissenschaftlichen und persönlichen Netzwerke innerhalb der scientific community, die weiterhin funktionierten. Die unmittelbar nach Konstituierung des Bundestages 1949 beginnende „Vergangenheitspolitik” (vgl. Frei 1996) und die Gesetzgebung Anfang der 50er Jahre sanktionierten posthum den innerhalb dieser Netzwerke praktizierten apologetische „Selbstentnazifizierungsprozess” und das „Beschweigen” der Vergangenheit. Die alten „Berater der Macht” waren zudem als wissenschaftliche Experten im Kalten Krieg sehr gefragt, wie nicht nur durch die Geschichte des Herder Institutes in Marburg zu belegen ist. Auf der Suche nach geeigneten Mitarbeitern für den begonnenen „Sudetendeutschen Atlas” wandte sich J. März 1950 an C. Troll, weil die ursprünglich vorgesehenen Bearbeiter Hassinger, Spreitzer, Machatschek, Czajka und Fochler-Hauke nicht mehr „greifbar” waren oder sich nach Argentinien abgesetzt hatten:

„Die Arbeitsgemeinschaft zur Wahrung sudetendeutscher Interessen, die Spitze der sudetendeutschen Organisation, in der so verschiedenartige Richtungen wie Lodgman von Auen, der Bundestagsabgeordnete Schütz (CDU), die Sozialdemokraten Beitzner und Wenzel Jaksch neben einander arbeiten, hat mir trotz meines Sträubens den Auftrag gegeben, die Federführung bei der Vollendung des ‘Sudetendeutschen Atlasses’ zu übernehmen. Czajka hatte die Arbeiten am Atlas angefangen und weitgehend vorwärts getrieben. […] Die Geldmittel sind jetzt vorhanden, da die gesamte sudetendeutsche Volksgruppe durch eine amtlich genehmigte Sammlung einen Betrag zusammengebracht hat, der für das geplante ‘Weißbuch’ über die Vorgänge bei der Ausweisung, den Atlas, ein Geschichtswerk und ein Bildwerk reicht. Czajka hatte mir vor seiner Abreise das, was fertig ist, zu treuen Händen übergeben. Ich wollte es nun der Arbeitsgemeinschaft weiterreichen, bin aber festgenagelt worden.

Der Atlas muß natürlich wissenschaftlich unanfechtbar sein. Wir benützen sogar als Grundlage den tschechoslowakischen Atlas von 1938, aber ohne seine tendenziöse Suggestion, z.B. bei der Ortsnamengebung. Der Atlas soll geeignet sein, außenpolitisch eine aufklärende Wirkung zu erzielen. Hierbei kann besonders Jaksch, der in London im Exil lebte, helfen. […] Ich habe zunächst zur Bedingung gemacht, daß eine Kommission gebildet werden soll. Dazu möchte ich heranziehen, trotz seiner Arbeitslast, Sedlmayer, dann Scheu, Thiel - beide auch deshalb, weil sie Flüchtlinge sind, Glauert aus Graz, der in Fragen der Volkstumsgrenzen bewandert ist, dann von Nichtgeographen Weizsäcker (Ausdehnung des deutschen rechts), Schwarz (Frühe deutsche Besiedelung, Ortsnamengeographie), Preidel (Vorgeschichte). […]”[75]

Die Anfänge einer weiteren, später mit dem Sudetendeutschen Atlas verknüpften Atlasarbeit reichen ebenfalls in die ersten Nachkriegsjahre zurück. 1949 beauftragte E.O. Kossmann vom Friedensbüro in Stuttgart den ihm von der NOFG gut bekannten Leiter des Amtes für Landeskunde, E. Meynen, Kartogramme zur Landwirtschaft der „ostdeutschen Gebiete unter fremder Verwaltung” zu erstellen. Nachdem Kossmann als Referent in die geographische Abteilung des AA eingetreten war, entwickelten beide gemeinsam mit H. Schlenger das Konzept eines Atlas „Ostdeutschland und Nachbarländer”, der eine „rein wissenschaftliche Arbeit mit unabhängiger Verantwortung sein sollte”.[76] 1952 besprach schließlich ein Kreis von 25 Wissenschaftlern (Geographen, Historiker, Statistiker und Volkswirtschaftler) die Themen der Einzelkarten. Um weder das AA noch die dem Innenministerium unterstellte Bundesanstalt für Landeskunde als Initiatoren und Träger der Arbeiten in Erscheinung treten zu lassen, schlug Meynen vor, die Herausgeberschaft nominell dem Zentralverband der Deutschen Geographen zu übertragen. Diesem Vorschlag stimmte der damalige Vorsitzende des Zentralverbandes, Th. Kraus zu. Als verantwortliche Sachbearbeiter sollten Meynen, Mortensen, Kraus und Schlenger zeichnen. Gegen die eigenmächtige Entscheidung des Verbandsvorsitzenden erhoben Hartke, Lautensach, Louis und Troll aufgrund allgemein- aber auch disziplinpolitischer Überlegungen schwerwiegende Einwände. Diese Vorbehalte suchte Kraus mit der Frage zu konterkarieren: „was soll man gegen einen Atlas sagen, der die Verhältnisse der Vergangenheit rekonstruiert, also die Verhältnisse von 1935 darstellt?”[77] Der Vorstand beschloß jedoch 1955, auf den bereits gedruckten, nur für den Dienstgebrauch des AA bestimmten 20 Karten, den Namen des Zentralverbandes löschen zu lassen und den „Zentralverband mit der Herausgabe des Atlasses, der eine durchaus politische Note trägt”[78] nicht mehr in Verbindung zu bringen. Der Atlas erschien ab 1959 herausgegeben von Kraus, Meynen, Mortensen und Schlenger unter dem nunmehr abgeänderten Titel „Atlas Östliches Mitteleuropa” bei Vehlhagen & Klasing in Bielefeld. Die Berechtigung der disziplinpolitischen Bedenken sollte sich auf dem Internationalen Geographenkongress 1960 in Stockholm herausstellen, wo die Publikation des Atlas kritisiert und mit dem „unseligen Atlas des östlichen Mitteleuropa […] sehr erfolgreich gegen die bundesrepublikanischen Geographen agitiert wurde”[79].

 

Fazit

Fahlbusch beabsichtigte, wie er in der Zusammenfassung seiner breit angelegten, materialreichen Untersuchung herausstellt, die „Behauptung Meynens gegenüber den Briten zu widerlegen, daß es keine feste organisatorische Struktur gegeben habe” (S. 787)[80] Diesen Nachweis erbringt Fahlbusch nicht. Seine Rekonstruktionsversuche belegen allenfalls einen losen Verbund von Forschern, die sich gut kannten und sich auch in wechselnder Zusammensetzung bei Arbeitssitzungen trafen, aber nicht als ein „Brain Trust” agierten oder als solcher rekrutiert wurden. Dass Fahlbusch trotzdem glaubt, einen solchen ausmachen zu können, liegt an seinem relativ freien Umgang mit historischen Fakten und argumentativen Konjekturen, die sich nicht selten als analytische Stolpersteine erweisen. Äußerungen werden aus ihren Zusammenhängen herausgenommen, um das Konstrukt zu stützen.

Fahlbusch unterstellt, dass Volkstumskarten und -atlanten sowie einzelne Denkschriften unmittelbar der Durchführung des Genozids dienlich waren. Dabei zwingt ihn die Magie des Konstruktes immer wieder, auch dort direkte Zusammenhänge zwischen den VFG und der systematischen Ermordung zu unterstellen, wo diese zwar denkbar, aber nicht beweisbar sind und unter Bezugnahme auf Handlungsfolgen Handlungen zu erklären. Völlig unbeachtet bleibt bei ihm die Frage nach möglichen Verbindungen zwischen seinen Funktionseliten („Brain Trust”) und den traditionellen agrarischen und industriellen Machteliten, die zugleich in der Wehrmacht und der Diplomatie dominierten.

Mit den Einwänden und Anmerkungen, die hier nur aufgrund der fachspezifischen Literatur- und Aktenkenntnis vorgetragen werden konnten, soll weder bestritten werden, dass sich Wissenschaftler bewusst der NS-Diktatur als Experten zur Verfügung gestellt haben, noch die Frage nach Schuld und Mitschuld der mittelbar Beteiligten übergangen werden. Fahlbusch hat diese Frage, entgegen seiner zusammenfassenden Feststellungen, nicht beantworten können. Möglicherweise muss man ihm dies sogar als Verdienst anrechnen, denn unbeantwortet wird sich die Schuldfrage dem kollektiven Gedächtnis immer wieder neu stellen müssen.


Literatur

 

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[1]) Fahlbuschs Aussage hinsichtlich der Überschätzung der Raumforschung gründet sich möglicherweise auf den Freispruch K. Meyers durch den Nürnberger Militärgerichtshof im Jahr 1948. Die historiographische Forschung der vergangenen 50 Jahre hat dieses Bild aber entschieden revidiert (vgl. Rössler u. Schleiermacher 1993).

[2]) Tagungsprogramm der Sitzung vom 11.-13.4.40 (Archiv Geogr.Inst.Bonn, I-15).

[3]) So im Gegensatz zu Fahlbusch und anderen Autoren der korrekte Titel. Von diesem Handbuch erschienen die ersten drei Bände 1933-1938. Die Fortsetzung des Projekts wurde zwar bis 1945 mit erheblichen Mitteln unterstützt (S. 124), die aber nach Kriegsbeginn zunehmend auch zweckfremd verwendet wurden (z.B. Druck einer Vegetationskarte Schmithüsens).

[4]) Bei den aus dem Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes beigezogenen Dokumenten wäre es dienlich gewesen, darauf zu verweisen, welche Quellen im Originalaktenbestand eingesehen und bei welchen auf Mikrofiches zurückgegriffen werden mußte, die in der Mehrzahl im Zusammenhang mit einer Aktenselektion seitens der Amerikaner in der frühen Nachkriegszeit hergestellt worden sind. In diesen Fällen lassen sich, sofern keine handschriftlichen Vermerke enthalten sind, Reaktionen des AA nur schwer rekonstruieren.

[5]) Bericht und Protokoll der Zweiten Arbeitstagung der Forschungsgemeinschaft Übersee (Archiv Geogr. Inst. Uni. Bonn, I-91).

[6]) Das einerseits mit sehr viel Ballast behaftete Literaturverzeichnis enthält andererseits zahlreiche, im Text zitierte Arbeiten nicht: z.B. Aly (1995), Hassinger (1939), Kettenacker (1986), Klebelsberg (1956), Klingemann (1995), Müller-Wille (1995), Paul (1993), Roth (1989) u.v.a.m.

[7]) Vgl. Berichte Deutsches Ausland-Institut Stuttgart ab 1931; nach der Reorganisation (Gleichschaltung) 1935 gehörten dem Wissenschaftlichen Rat des DAI u.a. an: H. Aubin, M.H. Boehm, F. Burgdörfer, W. Geisler, H. Hassinger, K. Haushofer, G. Ipsen, E. Krieck, K.C. v. Loesch, F. Machatschek, Fr. Metz, E. Obst, A. Penck, A. Rein, E. Rothacker, K. Sapper, O. Schmieder, A. Schultz, W. Sombart, H. Steinacker, G. Steinbach, O. Stolz, F. Termer, C. Troll, W. Vogel (Archiv Geogr. Inst. Uni. Bonn, I-91).

[8]) DAI im Neuen Reich. Schriften des Deutschen Auslands-Instituts Stuttgart. Neue Reihe, Bd. 1, Stuttgart 1935, S. 11. Am 5.9.35 führte der Leiter des DAI, Dr. Csaki auf der Jahrestagung des Institutes aus: „[…] Aufgabe dieser Tagung ist die Besprechung der Fragen in dieser Richtung [Zusammenarbeit] und die Abgrenzung der Aufgaben des Instituts zu anderen Organisationen, die sich mit den Fragen des Auslands und des Grenz- und Auslanddeutschtums befassen. Begrüssenswert ist vor allem die Zusammenarbeit mit der Deutschen Akademie, die noch enger gestaltet werden soll. […] Der Plan, eine ‘Wissenschaftliche Mittelstelle’ im Institut zu schaffen, steht vor der Verwirklichung. […]” Deutsches Auslands-Institut Stuttgart, Jahrestagung 1935, S. 9 (Archiv Geogr. Inst. Bonn, I-91).

[9]) A. Rein, Rektor der Universität Hamburg und Leiter der Forschungsstelle für das Überseedeutschtum in Hamburg, schrieb am 23.11.38 an C. Troll, den er über die Deutsche Kolonialgesellschaft und die Vorbereitungen zur internationalen ‘Peaceful Change 1937'-Konferenz kannte: „Vor einiger Zeit habe ich die Leitung der überseedeutschen Forschungsgemeinschaft übernommen, die entsprechend den Forschungsgemeinschaften für den Westen, Süden und Osten in Europa sich der wissenschaftlichen Forschung der Deutschtumsfragen in den überseeischen Ländern widmet. Zur Vorbereitung der Arbeiten der überseedeutschen Forschungsgemeinschaft möchte ich in kleinem Kreise mit wenigen Herren eine Vorbesprechung abhalten. Ich rechne damit, dass Herr Dr. Meynen, Herr Dr. Kloss, Herr Dr. Jantzen, Herr Dr. Lehmann und einige andere teilnehmen werden. Die Besprechung soll stattfinden am 17. Und 18. Dezember in Hamburg […] Zweck der Besprechung ist: 1) die deutschen und ausländischen Forscher und Wissenschaftler auf den verschiedenen Gebieten des Überseedeutschtums an Hand ihrer Arbeiten zu erörtern, 2) Anregungen zu geben für Aufgaben, die der Überseedeutschen Forschungsgemeinschaft gesetzt werden können. […]” An dieser Besprechung nahm C. Troll teil. (Archiv Geogr. Inst. Bonn, I-15).

[10]) Bericht und Protokoll der Zweiten Arbeitstagung der Forschungsgemeinschaft Übersee; Bericht von F. Schönberg, S. 16ff (Archiv Geogr. Inst. Uni. Bonn, I-91).

[11]) Daß Geisler bei seinen Kollegen im Rheinland nicht besonders beliebt war, geht aus einem Brief von F. Thorbecke an C. Troll vom 21.3.38 hervor: „[…] In Gerolstein wurde allgemein behauptet, Geislers Tage in Aachen seien gezählt, aber man befürchtet, er würde die Treppe hinauf fallen und das Ordinariat an der Breslauer Universität erhalten. […] Wir rheinischen Geographen würden uns freuen, wenn wir diesen fabelhaften Gelehrten so oder so mit mehr oder weniger Anstand los würden - mögen sich andre zur Abwechslung an ihm ergötzen!” (Archiv Geogr .Inst. Bonn, I-18).

[12]) Gutachten Steinbach 3.2.38 (Archiv Geogr. Inst. Bonn, I-18).

[13]) Das Museum sollte nach dem Verständnis seines Leiters „in der Ganzheit des Erdbildes Natur- und Kulturlandschaft, Erde und Mensch, Blut und Boden” in ihrer „Wechselwirkung und gegenseitigen Durchdringung” darstellen (Reinhard 1944, 4).

[14]) Die von Fahlbusch auf S. 173 vorgenommene Zuordnung zur VFG ist obsolet.

[15]) Fahlbusch war nicht nur Teilnehmer, sondern auch Referent auf der Tagung des Arbeitskreises „Geschichte der Geographie” in Leipzig, auf der Frau Hönsch einen ausführlichen Bericht über die Geschichte des Instituts für Länderkunde gegeben hat.

[16]) Gleichzeitig erhielt das Institut den Untertitel „Geographisches Zentralmuseum und Forschungsinstitut”. Damit wurde nicht zuletzt hervorgehoben, dass dieses Institut „Ausgangs- und Mittelpunkt der Darstellung” von Großdeutschland, „dem Lebensraum des deutschen Menschen” sein und ein Äquivalent zum „Deutschen Museum für die Geschichte der Technik” in München bilden sollte (Reinhard 1944, S. 25f). Dem Verwaltungsrat des Institutes gehörte u.a. auch der Präsident der Deutschen Geographischen Gesellschaft O. Schmieder an.

[17]) Vgl. hierzu auch Mayr u.a. 1996; dort wird auch erwähnt, dass „militärisches Beutegut” in Form von Karten und Luftbildern „auf militärische Weisung” nach Leipzig gebracht wurde. Hierbei könnte es sich um Material gehandelt haben, das W. Hartke und C. Troll 1940 in Paris gesichtet hatten.

[18]) In Aachen bestand durch Overbeck z.B. eine Personalunion zwischen Kolonialgesellschaft und Westdeutscher Forschungsgemeinschaft.

[19]) Nach dem Geographentag in Danzig 1931 fanden in der NS-Zeit nur noch die Geographentage in Bad Nauheim 1934, Jena 1936 und die „Arbeitssitzung europäischer Geographen” 1942 in Würzburg (Praesent 1942) statt. Einen Geographentag in Wien 1933, wie Fahlbusch (S. 68) behauptet, gab es nie.

[20]) Auf dem Geographentag in Jena konnte der Vorsitzende des Zentralausschusses des Deutschen Geographentages 1936 in seiner Begrüßungsansprache auf das „glückliche Zusammentreffen” verweisen, „dass im Anschluss […] eine Versammlung der Deutschen Akademie in Breslau stattfindet, die sich den Belangen des Auslanddeutschtums widmet” und sich über die „nunmehr bestehende Einheitsorganisation des Reichskolonialbundes als Trägerin der Kolonialidee” erfreut zeigen (Verhandlungen und Wissenschaftliche Abhandlungen des 26. Deutschen Geographentages zu Jena 9. bis 12. Oktober 1936. Breslau 1937, S. 21).

[21]) Einen Beleg für die Anwerbung von Wissenschaftlern durch die sich neu formierenden Forschungsgemeinschaften bildet folgender Auszug aus einem Brief C. Trolls an O. v. Niedermayer vom 26.4. 1936: „Ich bin heute mit einer Exkursion der Nordostdeutschen Forschungsgemeinschaft auf einer Fahrt in der östlichen Mittelmark gewesen, wo wir sehr viel interessantes Anschauungsmaterial über die ostdeutsche Landesplanung vorgeführt erhielten und besprachen. Ein nachträgliches Durchdenken rollte mir viele Probleme auf, die sich von der Geographie aus wunderbar erfassen lassen. Ich habe auf Grund Ihres Vorschlages vom Donnerstag mich natürlich besonders mit der Angelegenheit auseinander gesetzt. Trotzdem glaube ich, Ihnen mitteilen zu müssen, dass mir eine Übernahme dieser neuen Verpflichtungen, die ich für zu wichtig halte, als dass ich sie nur nebenbei mitbehandeln könnte, gegenwärtig unmöglich ist. Mein nunmehr sechs Jahre lang geübter Lehrauftrag hat mich in der ganzen Berliner Zeit nur an überseeische Fragen herangebracht und von einer Beschäftigung mit dem deutschen Heimatboden zwangsmässig ferngehalten. Meine amerikanischen Interessen musste ich von Anfang an auf die afrikanischen Fragen ausdehnen und die Kolonialwissenschaft im neuen Stil aufbauen. Der Auftrag des Auswärtigen Amtes zur Herausgabe und Schriftleitung der ‘Kolonialen Rundschau’, der winterliche Lehrgang der Wehrmachtsakademie und die Betätigung in den Arbeiten des Kolonialausschusses für den Peaceful Change-Kongress 1937, der vom Ribbentrop’schen Amt ausgeht, zwingen mich, weiterhin mit allen kolonialen Fragen auf dem laufenden zu bleiben […] Ich glaube, Ihnen mündlich einen Ersatzvorschlag machen zu können, der der Sache und Ihren neulich geäusserten Wünschen nach meinem Ermessen wohl entspricht.” (Archiv Geogr. Inst., I-13). Wie aus späteren Schriftwechseln indirekt zu entnehmen ist, schlug Troll J. Büdel vor. Im erwähnten Vorbereitungsausschuß für die „Peaceful Change Konferenz” in Madrid befanden sich neben Troll auch Weichert, Westermann und Karlowa (Brief C. Troll an W. Behrmann 27.5.36; Archiv Geogr. Inst. Bonn, I-13).

[22]) Ein typisches Beispiel für die Differenz zwischen einem naturdeterministischen und einem etatistischen Deutschlandbegriff bildet die Bemerkung von A. Philippson vom 15.2.23 in einem Brief an das Bibliographische Institut in Leipzig: „[…] Ich bedauere sehr, dass Sie den Band ‘Deutschland’ auf die Reichsgrenzen von 1914 beschränken, also die innerhalb der natürlichen Grenzen Deutschlands liegenden Länder, vor allem Böhmen und Deutsch-Österreich ausschließen wollen. Dadurch werden in der physischen Geographie Wiederholungen und Hinweise von Land zu Land in großer Zahl nötig, die ganze Darstellung der Oberflächengestalt zerrissen. Ich muß mich aber fügen. Dann muß der Titel aber nicht Deutschland, sondern ‘Deutsches Reich’ heißen […]”. (Archiv Geogr. Inst. Bonn, IX-5).

[23]) Oder bezieht sich die Feststellung von Fahlbusch auf die Aussage Günthers (S. 245): „Die von Ratzel […] verwendeten Begriffe: Absonderung - Abgeschlossenheit - Verbindung usw. sind der soziologischen Terminologie geläufig; allerdings wird der Geograph in diese Ausdrücke nicht immer ganz das Hineinlegen, was die Soziologie […] will.”? Da Fahlbusch keine Belegstelle angegeben hat, ist man bei der Suche allein auf den Index bei Günther (1930) angewiesen.

[24]) Im Zusammenhang mit der ÜFG bemerkt Fahlbusch u.a. falsch: „Die zentralen Artikel der ÜFG erschienen im DALV oder fanden in der von Oskar Schmieder herausgegebenen Reihe ‘Lebensraumfragen der europäischen Völker’ in fünf Bänden ihren Niederschlag” (S. 734). Richtig ist, dass das „Lebensraumwerk” zwar ursprünglich auf 5 Bände konzipiert war, jedoch nur 3 Bände erschienen sind. Dies hätte sich bibliographisch ohne Probleme ermitteln lassen, abgesehen davon wird in der von Fahlbusch häufig zitierten Arbeit von Rössler schon auf dieses Faktum hingewiesen. Richtig ist nur der indirekte Hinweis auf „Doppelmitgliedschaften”.

[25]) Im Rundschreiben an seine Fachkollegen vom 5.6.40, in dem er zur Arbeitstagung nach Kiel einlud, begründete O. Schmieder die Eingliederung der Geographie in „den Einsatz der Geisteswissenschaften” wie folgt: „[…] Ein großer Teil der Geographen ist an verschiedenen Stellen eingesetzt worden. Es scheint mir jedoch, dass wir uns nicht nur persönlich da, wo man uns braucht, zur Verfügung stellen, sondern auch geschlossen aus unserem besonderen Kenntnisschatz heraus zu den Fragen der Zeit Stellung nehmen sollen. Für uns handelt es sich dabei natürlich in 1. Linie um die geographischen Grundlagen der Neuordnung Europas und des ihm von der Natur aus zugewiesenen afrikanischen Ergänzungskontinentes. Alle diejenigen Geographen, die auf Grund ihrer besonderen Forschungsarbeit dazu in der Lage sind, sollten helfen, die dringenden Fragen, die mit der Neuaufteilung der Lebensräume der europäischen Völker verbunden sind, durch wissenschaftliche Beiträge zu klären.” (Archiv Geogr. Inst. Bonn, I-16). In seinem Antwortschreiben vom 9.6.40 wies C. Troll Schmieder abschließend darauf hin, dass man bei der geplanten Besprechung nicht übersehen dürfe, „dass eine ganze Reihe von hohen Stellen sich jetzt mit ähnlichen Erwägungen beschäftigen. Selbstverständlich tut es die Wehrmacht (nicht nur militärisch, sondern auch nach der politischen Seite), ebenso selbstverständlich das Auswärtige Amt. Ausserdem glaube ich, dass man die neugegründete Auslandswissenschaftliche Fakultät in Berlin sehr stark dazu heranzieht, die wohl noch andere Anknüpfungen als die zum Reichserziehungsministerium hat. […] Für die westlichen Fragen wäre es z.B. dringend notwendig, die tiefe Sachkenntnis, die unser Bonner Institut für historische Landeskunde (Professor Steinbach) [besitzt], zu verwerten, die z.B. von der Wehrmacht und vom Auswärtigen Amt ausgenutzt wird.” (Archiv Geogr. Inst. Bonn, I-16). Diese Bemerkungen enthielten eindeutige Hinweise auf mögliche Verknüpfungen des „Kriegseinsatzes der Geisteswissenschaften” mit den Volksdeutschen Forschungsgemeinschaften.

[26]) Hiervon ausgenommen werden muß die Tagung in Leipzig wie aus einem von Dietzel, Schmieder und Schmitthenner gemeinsam unterschriebenen Brief an C. Troll vom 1.7.40 hervorgeht: „Im Rahmen der Aktion, die der Rektor der Universität Kiel, Prof. Dr. Ritterbusch, auf Veranlassung des Herrn Reichsministers […] zur Ausrichtung der Geisteswissenschaften auf die Belange unserer Zeit eingeleitet hat, wurde auf einer Arbeitstagung in Kiel der Wunsch ausgesprochen, eine Aussprache unter den Geographen herbeizuführen, die über afrikanische und koloniale Fragen arbeiten. Es wurde vorgeschlagen, diese Zusammenkunft vom 19.-21. Juli 1940 im Kolonialgeographischen Institut der Universität Leipzig abzuhalten. […]” (Archiv Geogr. Inst. Bonn, I-10). Vorausgegangen war am 13.4.40 eine von Ritterbusch einberufene Sondersitzung „Kolonialforschung” zur Arbeitstagung der Reichsarbeitsgemeinschaft für Raumforschung. An dieser Sitzung nahmen teil: Ritterbusch, Bülow, Schmitthenner, Schmieder, Dietzel und von der Reichsstelle für Raumordnung: Schrameier, Gassner und Roloff. Besprochen wurde hier u.a. aufgrund der Ausführungen Schmieders die Umsiedlung nach Südamerika ausgewanderter Deutscher in die „deutschen Kolonien” in Afrika. Als Basis für die weitere Kolonialforschung solle in Anlehnung an die Intentionen des AA nur das Gebiet von Mittelafrika zugrunde gelegt werden. (Anlage zu einem Brief von Bülow an Troll vom 4.6.40; Archiv Geogr. Inst. Bonn, I-15).

[27]) W. Credner an C. Troll 8.7.40 (Archiv Geogr. Inst. Bonn, I-3).

[28]) C. Troll am 21.8.40 an E. Meynen: „Die noch zu Hause gebliebenen Geographen haben sich Ende Juni wieder einmal zusammengesetzt und in Kiel über ‘Lebensraumfragen der europäische Völker’ verhandelt, im Auftrag der Raumforschung und des Reichserziehungsministeriums. Daraus haben sich verschiedene Gruppen gebildet, die nun Arbeiten zu einem riesigen Sammelwerk ‘Deutsche Geisteswissenschaften’ fabrizieren sollen. Eine koloniale Gruppe leitet Schmieder, eine Westraumgruppe Metz. Man ist zum Teil davon sehr begeistert, weil offenbar viel Geld rollt, z.T. skeptisch, weil mit der unmittelbaren Förderung der laufenden Forschungsaufgaben mehr Nutzen gestiftet werden könnte. Aber alles neue hat heute mehr Reiz und so wird wohl in der nächsten Zeit viel geschrieben werden. Ich habe mich für die koloniale Gruppe zur Mitarbeit bereit erklärt, werde auch sonst von dem allgemeinen Kolonialen Wirbel, der alle Reichsstellen erfasst hat, recht mitgenommen. Die einen wollen die Waldwirtschaft aufbauen, die anderen photogrammetrieren, wieder andere besetzen schon die Posten draussen oder machen ganz gross in neuer Eingeborenenpolitik.” (Archiv Geogr. Inst. Bonn, I-12).

[29]) Am 18.8.40 schrieb C. Troll an G. Pfeifer: „Ein neuer Wirbel ist in die Geographie durch die Kieler Tagung gekommen, von der ich mich fernhielt, und durch die anschließende Leipziger Kolonialgeographenbesprechung in Leipzig, an der ich verhindert war. Nun ist Schmieder äußerst eifrig an der Vorbereitung eines großen Sammelwerkes, das einen Teil des Riesenwerkes ‘Deutsche Geisteswissenschaften’ bilden soll unter dem Titel ‘Lebensraumfragen europäischer Völker’. Ich hätte es begrüßt, wenn die Förderung der Wissenschaft unmittelbar und nicht erst wieder über ein Rechtfertigungswerk zu erzielen gewesen wäre. Die Abteilung Kolonialgeographie ist in eine Kompetenzspannung mit Obst gekommen, was auf die Dauer unausbleiblich war. Ich selbst wurde durch Dietzel, der vor einigen Tagen eigens nach Bonn gekommen ist, so gekeilt, dass ich nun einmal an Obst (dann wohl an General von  Epp) und gleichzeitig an den Herrn Reichserziehungsminister (an diesen hauptsächlich wegen der Besetzung der Berliner Kolonialgeographie) geschrieben habe. Ich bat um eine persönliche Aussprache mit dem Minister, weil ich […] in der ganzen Kolonialwissenschafts-Organisation klar sehen muß […]” (Archiv Geogr. Inst. Bonn, I-14).

[30]) Protokoll der Afrikatagung in Leipzig. 19.-21. Juli 1940 (Archiv Geogr. Inst. Bonn, II-9). Auf dieser Tagung stellte Schmieder u.a. seine Idee einer Umsiedlung deutscher Siedler aus Südamerika nach Afrika vor. Zur „Mischlingsfrage” heißt es: „[…] dass eine Rassenmischung von uns aus weltanschaulichen Gründen selbstverständlich abgelehnt wird. Krebs schlägt vor, dass Schmieder einmal das Mischlingsproblem für Südamerika bearbeiten solle, da es für Afrika eine verhältnismässig geringe Rolle spielt. Die Bearbeitung ist auch deshalb wichtig, da die ganze nordamerikanische Anthropologie in diesen Fragen stark jüdisch beeinflusst ist (Schmieder). Für den geplanten Band „Europas koloniale Ergänzungsräume” sagte Schmieder den Beitrag „Das Deutschtum Südamerikas als koloniale Menschenreserve” zu.

[31]) O. Schmieder an C. Troll 16.7.40 (Archiv. Geogr. Inst. Bonn, II-9).

[32]) Hierzu heißt es in einem Brief von E. Obst an O. Schmieder vom 29.6.40: „[…] von Anfang an hat unsere Arbeitsgemeinschaft geplant, im Bedarfsfalle zusammenzutreten, um der Staatsführung ein regional angeordnetes knappes Material (Wort und Karte) zur Beurteilung der afrikanischen Probleme zur Verfügung zu stellen. Da nun kürzlich am Ende der Kieler Tagung beschlossen wurde, geographische Sachverständige zu dem nämlichen Zweck zusammenzurufen, erscheint mir die Gefahr einer gewissen Doppelarbeit gegeben. Absichtlich habe ich davon nicht gleich in Kiel selbst gesprochen, weil ich mir die Dinge zuvor in Ruhe überlegen wollte.” Dieses Schreiben schließt einen detaillierten Arbeitsplan für den Fall einer Zusammenarbeit mit den „Kieler Geographen” ein, auf den sich Schmieder in seinem Brief an Troll vom 16.7.40 bezieht. (Archiv Geogr. Inst. Bonn, I-4).

[33]) Brief C. Troll an W. Hartke 7.10.40: „[…] Wir waren inzwischen in Wien und haben versucht der deutschen Hochschul-Geographie eine neue Führung zu geben. Da Kollege Schmieder […] beauftragt ist, die Geographie unter dem Titel „Lebensraumfragen der Völker” in das geplante Riesenwerk der Geisteswissenschaften einzubauen, hat man sich einstimmig entschlossen, auch den Geographentag unter gleichzeitiger Einschmelzung des Hochschul-Lehrerverbandes unter seine Führung zu stellen. Dies ist sicher ein grosser Fortschritt und die Garantie, dass wieder sachliche Gesichtspunkte in den Vordergrund treten. Nur Herr Mecking, der in Abwesenheit von Panzer, Schrepfer, Geisler und Anderen das Schauspiel eines Rückzuges mit hinhaltendem Widerstand gab, wollte den bisherigen Zentralausschuss beibehalten wissen, was aber Schmieder unter Berufung auf das Führerprinzip ablehnte. Mich selbst stört an der Sache nur das Eine, dass man die Unterstützung unseres Faches von Seiten des Ministeriums und des Reichsforschungsrates erst wieder von einer grossen bestellten Sammelarbeit abhängig macht, für die man viele Leute aus ihrer laufenden Arbeit herausreisst und zu einer übereilten Niederschrift an sich bekannter Dinge zwingt.”(Archiv Geogr. Inst. Bonn, I-8).

[34]) Aus einem Brief von C. Troll an F. Metz vom 23.4.41 geht hervor, dass Troll zu dieser Tagung von Schmieder nicht eingeladen wurde (Archiv Geogr. Inst. Bonn, II-9).

[35]) Rundschreiben O. Schmieders vom 8.5.41 (Archiv Geogr. Inst. Bonn, II-9).

[36]) Schmieder hatte daran Anstoß genommen, dass Troll ihn nicht formell über die Aufforderung des Reichsforschungsrates informiert hatte, die Leitung der Fachgruppe Geographie und Landeskunde zu übernehmen. (O. Schmieder an C. Troll 10.4.41 und 7.5.41; Archiv Geogr. Inst. Bonn, II-9).

[37]) In dem Brief vom 28.4.41 an G. Wolff kommentierte Troll die Vorgänge: „Ich glaube doch, die verschiedenen Stellen zur Organisation der wissenschaftlichen Arbeit sind dazu da, der Wissenschaft zu helfen, nicht sie zu entzweien. Auch glaube ich, wir haben alle Besseres zu tun und auch die Zeit ist zu gross, um mit solchem Blödsinn den Fachtratsch seliger Erinnerung zu nähren.” (Archiv Geogr. Inst. Bonn, II-9).

[38]) Brief des Reichsdozentenführers (Borger) an C. Troll vom 27.11.40 (Archiv Geogr. Inst. Bonn, I-13).

[39]) C. Troll an NSD Reichsdozentenführer 22.1.41; für das Dozentenlager schlug er als Teilnehmer folgende Kollegen vor: H. Dörries, G. Niemeier, J. Schmithüsen, H. Schrepfer, P. Seebass, W. Czaika, H. Bobek, H. Wenzel, R. Käubler, H. Lautensach, A. Kolb, K. Kayser, H. Wilhelmy, H. Lehmann, W. Hartke, Th. Kraus, H. Schultze, H. Knothe, G. Pfeifer, E. Meynen, F. Metz, H. Hassinger, H. Welte, H. Spreizer. (Archiv Geogr. Inst. Bonn, I-13).

[40]) Troll kommentierte im Brief vom 26.2.41 an K.H. Dietzel: „Ich [halte] es für ausgezeichnet, dass Sie als einziger Geograph eine Gruppe im NSD Dozentenbund leiten und dass durch Ihre Stellung in der Organisation Ritterbusch eine wirkliche Brücke geschlagen ist.” (Archiv Geogr. Inst. Bonn, II-9).

[41]) Archiv Geogr. Inst. Bonn, II-9.

[42]) Protokoll der von Exzellenz Schmidt-Ott einberufenen Sitzung im Hause der Gesellschaft für Erdkunde am 25. November 1940 (Archiv Geogr. Inst. Bonn, II-32).

[43]) Einen indirekten Hinweis enthält die Anfang 1941 abgegebene „Stellungnahme des Vorstandes der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin zum Plan der Gründung einer Deutschen Geographischen Gesellschaft”, in der erwähnt wird, dass die Grundlagen der Gesellschaft für Erdkunde Ende 1940 „mit Hilfe des Oberkommandos der Kriegsmarine und des Auswärtigen Amtes” wesentlich erweitert werden konnten. (Archiv Geogr. Inst. Bonn, II-32).

[44]) Archiv Geogr. Inst. Bonn, I-13.

[45]) Im Brief an den Reichsdozentenführer vom 19.12.40 heißt es in einer Nebenbemerkung: „[…] wobei ich aber den Gedanken des Arbeitskreises niemand äusserte, sondern nur allgemein die Möglichkeiten zu sondieren versuchte” (Archiv Geogr. Inst. Bonn, I-13). Möglicherweise handelt es sich hier nur um eine adressatenorientierte Beruhigungsfloskel, da Troll die Animositäten zwischen NSD, der „Aktion Ritterbusch” und sich neu formierender Forschungsgemeinschaften nicht unbekannt waren.

[46]) In dem Schreiben an Göring heißt es u.a.; „Auf Wunsch der Hochschullehrer der Geographie, die am 28. und 29. September 1940 in Wien versammelt waren, und im Einvernehmen mit dem Vertreter des Herrn Reichswissenschaftsministers habe ich nunmehr den Vorsitz des Deutschen Geographentages übernommen. Ich bringe nun einen Wunsch der deutschen Geographen zum Ausdruck, wenn ich erkläre, dass 1. die deutsche Geographie eines Schutzherren bedarf, der ihr nicht nur im internationalen Verkehr eine Stellung gibt […} Wenn ich mir erlaube, Sie, Herr Reichsmarschall zu bitten, die Schutzherrschaft […] zu übernehmen […]” (Geheimes Staatsarchiv, Rep. 90/1790).

[47]) Unter dem Datum 16.5.41 hatte K. Kayser an C. Troll geschrieben: “[…] Die Notwendigkeit zu dieser Vorstandssitzung führt mich auf einen sehr wesentlichen Punkt dieses Schreibens: Nach der starken Aktivität, die Prof. Schmieder jetzt entfaltet hat zum Zusammenschluss der Geographischen Gesellschaften Deutschlands ‘unter der Führung des Geographentages’, d.h. also unter der Führung Schmieders, ist es unumgänglich, dass wir seitens des Vorstandes unserer Gesellschaft hierzu klar Stellung nehmen. Für die Gesellschaft liegt hier ein sehr heikles Problem vor. Mit der Bitte, es nur als vorläufige Meinungsäusserung werten zu wollen, möchte ich sagen, dass für eine Gesellschaft wie die unsrige mit derartig starker offiziöser Beteiligung (Auswärtiges Amt, Oberkommando der Kriegsmarine) eine solche Unterstellung unter den Geographentag weder wünschenswert noch möglich ist. Wenn man alles tun will, um sich nicht dem vielleicht berechtigten Vorwurf des Beiseitestehens auszusetzen, so müsste jedoch eine viel losere Verbindung für unserer Gesellschaft zum Geographentag hergestellt werden. Ob es überhaupt das Ideal ist, dass auch die Geographischen Gesellschaften dem Geographentag unterstellt werden, bleibt für mich sowieso sehr dahingestellt, jedoch scheint für die kleineren Gesellschaften diese Entwicklung schon allzu weit vorgeschritten zu sein, als dass jetzt noch das Steuer herumgeworfen werden könnte. Dabei halte ich an und für sich den Gedanken des Zusammenschlusses der Geographischen Gesellschaften Deutschlands in einem reinen Interessenverband für durchaus glücklich, um so mehr muss ich es jetzt bedauern, dass seinerzeit, als wir in der Vorstandssitzung auf diese sehr lebhaften Bestrebungen hinwiesen, hierfür nur ein sehr geringes Interesse zu erwecken war. Die Gesellschaft für Erdkunde hätte damals bei einiger Aktivität wohl noch die Führung dieser Entwicklung in ihre Hände bekommen können. Aber das ist nun Vergangenheit, und auf jeden Fall kommt es nun darauf an, dass wir zum Schmieder-Plan Stellung nehmen. […]” (Archiv Geogr. Inst. Bonn, II-32).

[48]) F. Schmidt-Ott an C. Troll 11.6.41 (Archiv Geogr. Inst. Bonn, II-32).

[49]) Schmidt-Ott an die Vorstandsmitglieder der Gesellschaft für Erdkunde am 25.6.41 (Archiv Geogr. Inst. Bonn, II-32). C. Troll begrüßte diese Entscheidung am 4.7.41 in einem Brief an Schmidt-Ott. „[…] Dass München und Leipzig keine schriftliche Stellungnahme einreichten, scheint mir damit zusammenzuhängen, dass die dortigen Vorsitzenden, Credner und Dietzel aus dem engeren Kreis um Kollegen Schmieder stammen und wohl stark seine Pläne unterstützen werden. […] Ich glaube, es ist ganz gut, dass nur ein Teil unseres Vorstandes an der Montag-Sitzung teilnimmt. […] Kayser schrieb mir dann, dass Exzellenz auch meine Teilnahme begrüssen würde. Ich danke Exzellenz sehr für die besondere Aufforderung und würde ihr auch sehr gerne nachkommen, wenn ich nicht das deutliche Gefühl hätte, dass meine Gegenwart in dem Kreise der Versammlung unserer Sache nicht besonders dienlich sein könnte. […] Gerade auf Seiten von Kollegen Schmieder könnte durch meine Gegenwart ein Gefühlsmoment unterstrichen werden, das seine Freizügigkeit störend beeinflussen kann. […] Er hat nun einmal große Ambitionen und ist, wie auch andere erfahren haben, in der Ausführung seiner Pläne etwas empfindlich gegen Widerstände.” (Archiv Geogr. Inst. Bonn, II-32).

[50]) Archiv Geogr. Inst. Bonn, II-32.

[51]) Von der kolonialwissenschaftlichen Abteilung des Reichsforschungsrates war für den 23.-26.6.42 eine 1. Europäische Kolonialwissenschaftliche Arbeitstagung (1. EUKOTA) in Berlin geplant. Diese Tagung, die den Eindruck einer „neutralen wissenschaftlichen Tagung […] und nicht […] einer Behördenveranstaltung” machen sollte, kam jedoch aus unbekannten Gründen nicht zustande. Bei den Verantwortlichen war unstrittig, dass „das Reichserziehungsministerium sichtbar hinter der Tagung stehen” solle. Wie der Geographentag, so sollte auch diese Tagung Bestandteil der NS-Kulturpropaganda sein. (Vgl. Ergebnisse der 1. Vorbesprechung vom 14.3.42; Archiv Geogr. Inst. Bonn; II-12).

[52]) Archiv Geogr. Inst. Bonn, II-32.

[53]) Am 4.12.40 unterbreitete C. Troll dem Reichsforschungsrat (Dr. Wolff) auf dessen Anfragen vom 17. und 25.11. einen Vorschlag, den er „für einen planmässigen Grosseinsatz der deutschen Wissenschaft auf afrikanischem Boden für dringend nötig, aber auch in seinen Auswirkungen entscheidend” erachtete, „nämlich eine einheitlich geleitete Erforschung afrikanischer Landschaften und Wirtschaftsgebiete mit Hilfe der modernen Luftbildforschung.” (Archiv Geogr. Inst. Bonn, II-11). Die Luftbild-Expedition Alger 1942 des Reichsforschungsrates fand unter Beteiligung von Vageler, Heske, Wolff, Steinhäuser und Frötschner in der Zeit vom 4.5.-7.6.42 statt. In dem am 9.6.42 erstatteten Bericht heißt es u.a.: „[…] Die aus diesen Erhebungen sich ergebende neue Methode der Landesaufnahme hat eine unmittelbare und entscheidende Bedeutung auch für die Planung und Erschließung der Osträume.” (Archiv Geogr. Inst. Bonn, I-91).

[54]) C. Troll an K. Sapper 18.10.40 (Archiv. Geogr. Inst. Bonn, I-17).

[55]) Für das Sammelwerk Lebensraum der Europäischen Völker war J.-H. Schultze mit einer „Umsiedlungsarbeit” beauftragt worden. Mit der Bitte um Hilfe bei der „Suche nach Material über die Voraussetzungen der Umsiedlung zwischen Ungarn und Rumänien und Rumänien und Bulgarien” wandte er sich am 27.8.40 an C. Troll. Im Antwortschreiben vom 30.8.40 heißt es u.a.: „Was das Material über Grossrumänien anlangt, so werden Sie wohl die rumänische Volkszählung vom Jahre 1930 zugrunde legen müssen. Ich weiss, dass es in Berlin einflussreiche Stellen gibt, die diese Zählung für wertlos halten (jedenfalls des Deutschtums wegen ablehnen), Sie können sich aber ein gutes Bild verschaffen, wenn Sie den Bericht von Krallert im Dt. Archiv für Landes- u. Volksforschung, III. Jg., 1939, S. 489 zugrunde legen. Ebenfalls 1939 hatte Prof. Langhans in Gotha eine Volkstumskarte Grossrumäniens (in nicht gerade geschickter Weise) hergestellt, sie sollte in Petermanns Mitteilungen erscheinen, ist aber von Berlin zurückgezogen worden. Dann hat die Volksdeutsche Mittelstelle eine neue Karte gemacht, die aber für den Dienstgebrauch bestimmt und nicht öffentlich erhältlich ist. Ich habe sie gesehen, besitze sie aber nicht.” (Archiv Geogr. Inst. Bonn, I-16).

[56]) Dozent Wagner vom Reichspropagandaministerium: „Die Behandlung kolonialer Dinge in der Öffentlichkeit”. Dieses Referat diente offensichtlich dazu, die allgemeine Sprachregelung von oben festzulegen. Niederschrift über die 1. Gutachter-Tagung (Archiv Geogr. Inst. Bonn, II-12).

[57]) U.a. Dietzel (Geographie), Defant (Geophysik), Semmelhack (Meteorologie), Finsterwalder (Karten- und Vermessungswesen), Knetsch (Geologie), Vageler (Bodenkunde), Walter (Botanik), Zechlin (Geschichte), Struck (Völkerkunde), Westermann (Sprachforschung), Abel (Rassenforschung), Heske (Forst- und Holzwirtschaft). Niederschrift der 1. Gutachte-Tagung (Archiv. Geogr. Inst. Bonn; II-12).

[58]) U.a. Behrmann, Dietrich, Gerling, Kanter, Kayser, Klute, Kraus, Lautensach, Lehmann, Obst, Panzer, Pfeifer, Scheu, Schmieder, Schott, Schultze, Thorbecke, Wilhelmy; Troll und Hassert waren entschuldigt. Protokoll der Arbeitssitzung (Archiv. Geogr. Inst. Bonn; II-12).

[59]) In einem Schreiben an den Reichsleiter des KPA der NSDAP bemerkte C. Troll am 24.11.34 u.a.: „[…] Ich ziele bei der Behandlung dieser Frage […] darauf ab, […] die Meinung zu zerstören, die Kolonialarbeit bedeute eine Konkurrenz zu den grossen Ost- und Binnensiedlungsplänen, die ich selbstverständlich auch für die vordringlichste halte.” (Archiv Geogr. Inst. Bonn, I-13).

[60]) So schrieb z.B. C. Troll am 7.3.39 an O. Schmieder: „[…] Eine andere Sache, bei der wir nebeneinander gespannt werden sollten, ist die Tagung der überseedeutschen Forschungsgemeinschaft in Hamburg Ende März. Wie Ihnen Wilhelmy erzählt haben wird, war ich im Januar bei der Vorbesprechung zugegen.” (Archiv. Geogr. Inst. Bonn, I-16). Bezüglich eines Referates, um das er gebeten wurde schrieb C. Troll am 12.2.39 an A. Rein: „Es wäre mir daher recht, wenn den für Afrika vorgesehenen Vortrag ein anderer Herr übernehmen könnte. Vielleicht ist das auch schon aus einem anderen Grund ratsam. Es ist ja, wie Sie wissen werden, Herr Prof. Obst vom Kol. Pol. Amt der NSDAP mit der ‘Afrikaforschung’ schlechthin betraut worden und eine Kolonialkartographische Sitzung, die ich jüngst in Berlin mitmachte, hat wieder gezeigt […] dass dieser Auftrag sehr totalitär gemeint ist, derart, dass daneben keine Afrikaforschung organisiert und unterstützt werden solle. Ich selbst, der ich Obst recht gut kenne, halte es zwar für keinen Segen für die Forschung, wenn sie von einer Stelle allein gewissermaßen okkupiert wird, halte es aber gegenwärtig für angebracht, mit irgendwelchen Afrikaarbeiten die große ‘Organisation Obst’ in Verbindung zu bringen.” (Archiv Geogr. Inst. Bonn, I-15).

[61]) Am 19.8.38 hatte A. Haushofer an C. Troll u.a. geschrieben: „[…] Ich bin in diesem Jahr sehr viel häuslicher gewesen als die meisten anderen Herren, bin allerdings immer in der mehr oder weniger angenehmen Lage, jederzeit auf Abruf hoher Herrschaften bereitsitzen zu müssen. Das ist eben Dienst; man kann nichts daran ändern. Aber nachdem ich schon darüber schreibe, will ich auch Ihnen gegenüber nicht verheimlichen, dass wir uns aussenpolitisch zur Zeit in einer Lage befinden, die in ihrer ganzen Unheimlichkeit nur mit einem Sommermonat vor vierundzwanzig Jahren verglichen werden kann. Angesichts der Sorgen, und der Verantwortungen, die sich daraus ergeben, fällt es mir manchmal schwer, andere Dinge in den Proportionen zu sehen, in denen sie vom Standpunkt der alten voraussetzungslosen Wissenschaft und vom Standpunkt der geographischen Personalpolitik an deutschen Hochschulen wohl gesehen werden müssen […]”. Am 21.9.38 ergänzte er: „[…] Ich selbst bin im Augenblick mit geographischen Fragen von äusserster akuter Bedeutung befasst. Wenn Sie aus meinem letzten Brief den Eindruck einer schwierigeren Zusammenarbeit gewonnen haben, dann halten Sie es bitte der Tatsache zugute, dass mich eine Reihe von Dingen, die der deutschen Öffentlichkeit erst in den letzten Tagen zum vollen Bewusstsein gekommen sind, […]aufs tiefste beschäftigt haben. Sie werden mir zugeben, dass die Zeiten, in denen neue Grenzen für drei Millionen deutscher Menschen vorbereitet werden müssen, nicht alltäglich sind. Glauben Sie mir, dass auch ich zuweilen den dringenden Wunsch habe, zu ruhigerer Arbeit zurückkehren zu können.” Am 6.10.38 konnte er mitteilen: „[…] Ich selbst kehre im Augenblick mit dem Gefühl tiefster Erleichterung an die Arbeiten meines regulären Schreibtisches zurück. Die neue Grenze liegt in grossen Zügen fest; wirtschaftlich und geographisch nimmt sie sich sonderbar genug aus, aber wir waren an die politischen Beschlüsse von München doch sehr stark gebunden. Eine spätere Generation von Historikern und Geographen wird ja dann Gelegenheit haben, die gesamten von uns verübten Dummheiten in Dissertationen an den Pranger zu stellen.” (Archiv Geogr. Inst. Bonn, II-32).

[62]) […] Bericht, den SS-Obersturmführer Dr. Krallert auf der vom Auswärtigen Amt vom 29. Sept.-1.Oktober 1941 veranstalteten Tagung über die Südostdeutsche Forschungsgemeinschaft erstattet hat; PAAA Inl. II g 288, Bl. 65138 [Microfiche] (mehrere Kopien unter D 653134, D 653138, D 653139).

[63]) März hatte sich für diese Aufgabe als Mitglied der Deutschen Akademie, Wissenschaftliche Abteilung (Sektion IV) und Südostausschuss empfohlen.

[64]) J. März an C. Troll 23.3.39 (Archiv Geogr. Inst. Bonn, I-12). Ein Jahr später (31.3.40) teilte der inzwischen habilitierte J. März Troll mit: „Allerdings fahren wir am 14. nach Prag, wo ich mein Lehramt aufnehme. Ich war bereits zweimal drüben und habe viel mit Etatangelegenheiten zu tun, da ich nicht nur mein Institut aufbauen, sondern auch drei andere für die noch nicht eingetroffenen Inhaber (Dölger, Block, Czajka) zu betreuen und mit Büchern zu versorgen habe, außerdem der Etat 1940 aufgestellt werden muß, in dem bereits die Forschungsgemeinschaft vorgesehen ist, die ich zu leiten haben werde.” (Archiv Geogr. Inst. Bonn, IV-1).

[65]) Telegramm der DA vom 12.1.40 (Archiv Geogr. Inst. Bonn, IV-1). In einem Brief an K.E.L. Keller (Akademie für die Rechte der Völker) zieht C. Troll am 18.9.40 folgendes Fazit aus seiner Südosteuropa-Reise: „[…] Zur Zeit meiner Reise – es war in den Monaten Februar bis April – war ja den meisten Leuten im Südosten der Zwang der Hinwendung an das Reich noch nicht so bewusst wie heute, das Wort ‘Lebensraum’ stand in sehr schlechtem Ruf, in Griechenland, Jugoslawien und Rumänien merkte man durch alle persönlichen Freundlichkeiten doch im allgemeinen die Angst durch, dass die vermeintliche Selbständigkeit dieser Länder vom Reich her bedroht sei. In Ungarn war es natürlich anders und Bulgarien hatte eine ganz allgemeine Hinneigung zu uns, die sich ja aus der ganzen Nachkriegszeit zwangsläufig ergibt.” (Archiv Geogr. Inst. Bonn, I-9).

[66]) Schreiben von J. Perthes an den Gesandten Twardowski im AA vom 12.10.39 (PAAA Kult. A. Akten betreffend: Südostdeutsche Forschungsgemeinschaft, Bd. 1, A 1972 1938 bis A 4102 1939, Deutschtum Nr.2, R 60283).

[67]) Fahlbusch S. 653, Fußnote 433.

[68]) Karte von Rumänien von Prof. Paul Langhans Az.: E 98-Z/M (Archiv Geogr. Inst. Bonn, I-14).

[69]) PAAA Kult. A. Akten betreffend: Südostdeutsche Forschungsgemeinschaft, Bd. 1 von Kult. A 1972 1938 bis Kult A 4102 1939. Deutschtum Nr. 2, R 60283 (E 061280).

[70]) PAAA Kult. A. Akten betreffend: Südostdeutsche Forschungsgemeinschaft, Bd. 1 von Kult. A 1972 1938 bis Kult A 4102 1939. Deutschtum Nr. 2, R 60283 (E 061281/282).

[71]) Eine genauere Recherche hätte ergeben können, dass Tulescu 1935 als Humboldtstipendiat zu A. Rühl nach Berlin kam, um sich dort zu habilitieren. Seit 1937 arbeitete er, finanziell von der rumänischen Regierung unterstützt gemeinsam mit C. Troll an dem Wirtschaftsatlas Rumänien. Nach 1945 gehörte er neben M. Schött, D. Weis, K. Bresser, P. Schöller, v. Widera, J. Schulze und W. Conze zu einer Arbeitsgruppe, die einen „Osteuropäischen Forschungsauftrag” des AA unter Leitung von C. Troll durchführte. (AA an C. Troll 30.3.51; Archiv Geogr. Inst. Bonn, I-117). Vgl. auch: Tulescu, V. N. (1952): Die Agrarreform in Rumänien. In: Institut für Raumordnung. Informationen 7-8/52, 55-65.

[72]) Vgl. PAAA Südostdeutsche Forschungsgemeinschaft Band 20, Inland II C 1944, Deutschtum Nr. 2, R 100461 (Verfasser möglicherweise Goeken); darin enthalten ist ein direkter Verweis auf den II. Wiener Schiedsspruch vom 30.8.1940.

[73]) Bobek, H. (1939): Das Judentum im osteuropäischen Raum. Betrachtungen zu dem gleichnamigen Werk von P. H. Seraphim. In: Deutsches Archiv für Landes- und Volksforschung III, S. 697-706 (hier S. 704).

[74]) Hierzu auch: „Bericht über Verschickungen von Juden deutscher Staatsangehörigkeit nach Südfrankreich” Karlsruhe, den 30.10.1940. In dem Bericht, dessen Herkunft unbekannt ist (Nansen Komitee?), heißt es u.a.: „Auf Grund einer zwischen der Wiesbadener Waffenstillstandskommission unter General v.Stülpnagel und der französischen Delegation unter General Huntziger bezw. der Regierung von Vichy getroffenen Vereinbarung sind alle Juden französischer Staatsangehörigkeit aus Elsass und Lothringen ins unbesetzte Gebiet Frankreichs abzuschieben, und die französischen Behörden sind verpflichtet, die Evakuierten aufzunehmen. […] soweit hier bekannt, [ist] von der französischen Regierung die Weiterleitung der Deportierten nach Madagaskar unmittelbar nach Oeffnung der Seewege in Aussicht genommen.” (Sven Hedin Archiv Stockholm, Vol. 627).

[75]) J. März an C. Troll 2.5.50 (Archiv Geogr. Inst. Bonn, I-107).

[76]) Aktenvermerk über die Besprechung im Auswärtigen Amt, Geogr. Dienst am 17.1.1956 (Archiv Geogr. Inst. Bonn, II-36).

[77]) Th. Kraus an C. Troll 17.5.55 (Archiv Geogr. Inst. Bonn, II-36).

[78]) H. Wilhelmy an die Vorstandsmitglieder 8.2.56 (Archiv Geogr. Inst. Bonn, II-36).

[79]) C. Troll an F. Monheim 25.6.65 (Archiv Geogr. Inst. Bonn, II-36).

[80]) Gemeint ist der von Meynen, Pillewitzer, Schneider, Sievers und Otremba während der Internierung im „Camp Dustbin” 1946/47 unter dem Titel „Der Drang nach Osten” verfasste, nicht publizierte Rechenschaftsbericht. Der Name des Lagers steht für Kransberg bei Usingen (falsch bei Fahlbusch S. 135 „Kranzberg”, S. 774 „Krannhals”).


Quelle = Email <H-Soz-u-Kult>

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