(Zu) viele offene Fragen nach Interpellationsbeantwortung

Die Vergangenheit der Hamburger Toepfer-Stiftung, ihrem Namensgeber und dem Basler Ableger, Johann Wolfgang von Goethe Stiftung gibt nach wie vor zu Spekulationen Anlass. Grund: Zu viele offene Fragen nach der schriftlichen Beantwortung einer Interpellation im Basler Grossen Rat durch den Regierungsrat des Stadtkantons (Das iw berichtete in Nr. 16 ausführlich darüber). Von Schlomoh Gysin

Ein Interpellation im Basler Grossen Rat sorgte in der Öffentlichkeit und in Historikerkreisen im In- und Ausland für einige Aufregung. Inzwischen hat sich die Diskussion um die Person Toepfers und der von ihm initiierten Stiftungen auch in unser nördliches Nachbarland verlagert. Ein Artikel des iw zum Thema findet sich dort neben anderen Beiträgen zum gleichen Thema im offenen Diskussionsforum der Website an der Berliner Humboldt Universität und wird von Historikern aus aller Welt als Diskussionsbeitrag bei der Klärung von Toepfers Rolle vor, während und nach der Nazidiktatur in Deutschland zur Kenntnis genommen (http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de).

Dessen ungeachtet scheinen in Basel die Uhren noch immer anders zu gehen, wie man der regierungsrätlichen Antwort auf eine Interpellation des Basler Grossrates Ueli Mäder (Basta) entnehmen kann. Die Aufklärung der braunen Vergangenheit der Kulturstiftungen Toepfers harrt seit drei Jahren offenbar immer noch der Aufarbeitung. Der zuständige Basler Regierungsrat Stefan Cornaz liess die durchaus berechtigte Frage nach der kulturpolitischen NS-Kontinuität der Goethe-Stiftung in Basel, durch den Historiker Georg Kreis dahingehend beantworten, dass es:

  1. Eine 1931 durch Ernst Toepfer gegründete Goethe-Stiftung in Vaduz gab.
  2. Eine 1935 gegründete, von dem NS-Geographen Friedrich Metz in Freiburg i.B. geleitete Goethe-Stiftung und
  3. eine 1968 in Basel gegründete Goethe-Stiftung gibt, die nichts mit der zweiten aber mit der ersten zu tun hat.

Die Antwort der Regierung Basel beschwichtigt in entscheidenden Punkten und verletzt grundlegende logische Prinzipien:

  1. Sie behauptet, 1+2 sei nicht drei. Vielmehr sei 3-2=1 und 1=3 ohne 2.
  2. Sie behauptet ferner, dass die Kulturpreise zwischen 2 und 3 rechtlich oder organisatorisch nicht identisch seien. Demnach ist die am 17. März1999 in Tele-Basel ausgestrahlte Liste mit den Preisträgern des Mozartpreises seit 1935 eine Fälschung, oder aber die Regierung des Kantons Basel verschweigt hier etwas.
  3. Steht vollkommen offen, unter welchen Bedingungen zwischen 1946 und 1968 die Kulturpreise der Goethe-Stiftung weiterverteilt wurden, als 2 nicht mehr existierte.

Im weiteren ist die Liste der Preisträger zum Oberrheinischen Kulturpreis unvollständig. Friedrich Metz, der sich in den 30er Jahren als massgebliches Mitglied der Uni Freiburg i.B. und Präsident der Freiherr von Stein-Stiftung (FVS) [Parallelstiftung der Basler Goethe-Stiftung] unter anderem darum verdient gemacht hat, einen 'jüdisch-versippten' Musikwissenschaftler zu denunzieren und aus dem Amt zu treiben, sowie den Archivraub in Westeuropa mitzuverantworten hatte, empfing 1965 aus der Hand des ehrenwerten Alfred Toepfer anlässlich des Preisträgertreffens die Freiherr-vom-Stein Medaille in Gold für seine Verdienste um das Gemeinwohl während des Dritten Reiches und 1970 posthum den Oberrheinischen Kulturpreis der Goethe-Stiftung Basel. Damit ist nicht nur eine Kontinuität, sondern auch die NS-Kulturideologie durch die von der Stiftung FVS kontrollierten Goethe-Stiftung in Basel erwiesen, die sich in Basel unter dem 'Schutz' des Historikers Georg Kreis als harmlose Kulturstiftung zu profilieren sucht. Dem iw liegt eine Laudatio des Alfred Toepfer vor, die dieser aus Anlass des Preisträger-Treffens von 1965 gehalten hat. Darin ist dokumentiert, dass ein weiterer Naziopportunist, nämlich der ehemalige Hamburger Unirektor Gustav Adolf Rein, ebenfalls dieselbe Ehre zuteil kam wie Metz. Wie schierer Hohn klingt es, wenn etwa Toepfer in der Ehrung für Rein lobhudelt: (Zitat Toepfer) <<[...] In der Zeit des Dritten Reiches verlangte die NSDAP die Auslieferung der Stiftung an die Partei. Es ist Professor Dr. Rein persönlich in hohem Masse zu danken, dass die Stiftung FVS gegenüber allen Ansprüchen und Angriffen der Partei erhalten blieb und über die Zeiten des Dritten Reiches gerettet werden konnte.>> Wie erklärt sich dann aber die Zusammenarbeit des Herrn Rein mit Sudetenführer Konrad Henlein ab 1938 oder etwa der Kooperation mit SS-Obergruppenführer Werner Lorenz, der die FVS seit 1938 präsidierte, um nur einige der prominenten Nazigrössen zu nennen, denen Rein angeblich die Stirne geboten hatte. Auch schien es Januskopf Toepfer egal gewesen zu sein, dass Rein 1933/34 als Kommissar für das Hochschulwesen für 'die Einleitung der politischen Neuordnung' an der Universität Hamburg verantwortlich war. Dazu gehörte auch die Säuberung von fünf Kollegen aus politischen und religiösen Gründen. Zwischen 1934 und 1938 übte Rein die Funktion des Rektors an derselben Universität aus. Seinem wackeren Einsatz gegen die braunen Machthaber hatte er wohl auch seine Berufung zum Leiter des Instituts für Übersee- und Kolonialforschung durch die Hamburger Gauleitung im Jahre 1939 zu verdanken. Er war Mitglied im Nazionalsozialistischen Dozentenbund (NSD) und seit dem 1. April 1932 Mitglied Nummer 3.000.707 der NSDAP. Aus politischen Gründen wurde er 1945 entlassen. So also präsentierte Toepfer manch ahnungslosem Zeitgenossen, zu denen scheinbar auch Martin Buber gehörte, seine 'Widerständler'.

Es stellen sich mehrere Fragen, die einerseits den Basler Regierungsrat Stefan Cornaz, aber auch Ständerat René Rhinow, der als Verwaltungsratsmitglied in der Goethe-Stiftung für die Uni Basel amtiert, wie auch den in der Bergier-Kommission und in der Stiftung FVS-Kommission tätigen Georg Kreis betreffen. Rhinow hat sich inzwischen dahingehend verlauten lassen, dass die in der Unabhängigen Wissenschaftlichen Kommission vertretenen Persönlichkeiten für eben diese Unabhängigkeit garantieren. Die Uni Basel wiederum liess verlauten man warte die Ergebnisse ab und werde aber, so eine Pressemitteilung, nicht zögern umgehend Konsequenzen zu ergreifen, sollten sich die Vorwürfe in Sachen Toepfer (resp. dessen Rechtsnachfolger, Red.) und sein Stiftungsimperium in irgend einer Form erhärten.

Warum aber war die Goethe-Stiftung offenbar unter Aufsicht der Basler Regierung und/oder Universität in der Lage, auch in der Nachkriegszeit ehemalige Nazis auszuzeichnen? Regierungsrat Cornaz verwies, auf diese Widersprüche angesprochen, auf die zu erwartenden Resultate der Unabhängigen Wissenschaftlichen Kommission per Ende 1999. Wobei man sich des Eindrucks nicht erwehren kann, dass er von seinem Ratgeber (Kreis?) nur mit dem allernotwendigsten Wissen ausgestattet wurde.

Die Hamburger Toepfer-Stiftung verfolgt laut einem, dem iw vorliegenden Pressekommuniqués eine Desinformationsstrategie:

  1. Die von der Stiftung FVS behauptete befristete Aussetzung des Strassburg-Preises bis zur Klärung der Vergangenheit der Hamburger Stiftung ist unwahr. Das am 19. Dezember 1996 vom Präsidenten der Universität Strassburg, Albert Hamm, herausgegebene Pressekommuniqué spricht eindeutig von ‘mettre fin à sa participation’ (Beendigung der Teilnahme) und nicht von suspendre. Die Sinnentstellung , dass der Strassburg-Preis nur ruhe wird aber auch von der Unabhängigen Wissenschaftlichen Kommission, insbesondere auch von den Historikern Hans Mommsen und Georg Kreis irreführend weiterverbreitet. Diese Fehlinformation wurde auch vom Basler Regierungsrat in der Beantwortung der Interpellation Ueli Mäders an das Basler Parlament weitergegeben. Wird mit dieser Desinformation der Toepfer-Stiftung nicht die Souveränität und Autonomie der Gremien der Hochschulen in Frage gestellt? Hierbei kann es sich doch nur um die alte deutsche Kulturpolitik handeln, die eine kulturelle Hegemonie weiterverfolgt, indem an ausländischen Universitäten deutsche Kulturstützpunkte eingerichtet werden.
  2. Gemäss einem dem iw vorliegenden Gutachten, welches die Stiftung FVS am 21. April 1997 herausgab, kritisiert Hans Mommsen die Universität Strassburg bzw. die Herausgeber des Toepfer-Weissbuches, dass diese auf einer ungenügenden Sicht der Geschichte der 20er Jahre beruhe, welche die unterschiedlichen politisch-ideologischen Strömungen zusammenwerfe und pauschal mit dem NS identifiziere. Dadurch werde Alfred Toepfer ungerechtfertigterweise in das NS-Lager gestellt. Die der deutschen Volkstumsbewegung entstammenden Vertreter, zu denen Toepfer engen Kontakt hatte, stünden, dem Gutachten Mommsens zufolge, nicht mit der NS-Ethnopolitik in Verbindung. Sie hätten sich nach anfänglicher Zusammenarbeit mit den Nazis von diesen wieder distanziert. Angeblich, weil Hitlers Machterweiterung die deutschen Minderheiten missbraucht habe. Mommsen weist sie sogar als Widerstandskämpfer aus. Dies trifft allein auf Albrecht Haushofer zu.
    Für Karl Christian von Loesch, Max Hildebert Boehm und etwa auch Werner Hasselblatt lassen sich aber die existierenden Fakten nicht mit der Behauptung Mommsens in Einklang bringen. So arbeiteten die drei Volkstumstheoretiker bereits am Ende der Weimarer Republik im Schulterschluss der konservativen Rechten mit den Nazis zusammen. Alle drei waren massgeblich an der Ausformulierung des Volksgruppenrechts in der Akademie für deutsches Recht beteiligt! Dieses diente bekanntlich dazu, die Juden zu entrechten und die Segregation der europäischen Minderheiten in diesem Ausmass erst zu ermöglichen. Die Arbeiten Loeschs reichten indes weiter. Er beriet 1941 den kroatischen Ustascha-Führer Ante Paveli in Minderheitenfragen, welcher eine der fürchterlichsten ”ethnischen Säuberungen” durchgeführt hat. (Nachzulesen ist dies in Martin Broszats Kroatienbuch von 1964 und der ausgezeichneten Studie Karl Klingemanns über die Soziologie im Nationalsozialismus von 1996.)
  3. Es ist schliesslich zu befürchten, dass die von Mommsen formulierte Auffassung als Forschungshypothesen in das Projekt der Stiftung FVS eingegangen ist, ohne dass man sich auch nur um die Ergebnisse des aktuellen Forschungsstandes bemüht hätte. Es ist anscheinend nicht das Ziel der Forschung der Toepfer-Kommission, die Verbindung von volkstumsforschenden Preisträgern der Stiftung, Toepfer selbst und der NS-Ethnopolitik zu überprüfen. Mag Mommsen auch von einer taktischen Einbindung wichtiger Nazigrössen in das Stiftungsimperium Toepfers während des Dritten Reiches sprechen; so ist doch die Frage gestattet, ob Toepfer in die Nähe des Widerstandes zu stellen ist. Das Argument des Strukturhistorikers Mommsens, man könne gegen Toepfer einwenden, (Zitat Mommsen) <<dass die nach dem Zusammenbruch (1945!) verfolgte Stiftungspolitik sich vielfach auf Mitwirkende stützte, die priviligierte Positionen im NS-Regime eingenommen hatten. Die sich darin bekundende ‚Vasallentreue‘ mutet in der Rückschau naiv und gelegentlich als geschmacklos, passt sich jedoch nahtlos in die Kontinuität der westdeutschen Eliten nach 1945 ein.>> Dass deutsche Eliten insbesondere im Verhältnis von Wissen und Geld über so lange Zeit wunderbar harmonisierten, ist nichts Neues. Wenn aber richtig ist, dass sich die Wissenschaftler in Vasallentreue geübt haben, dann ist aber doch die Frage erlaubt, wer vor 1945 deutsche Unkultur gefördert hat und nach dem Kriege diese Vasallen ein zweites Mal dafür auszeichnet, muss er dann aber unbedingt auch noch mit dem Ehrendoktorhut einer sich auf humanistische Traditionen berufenden Universität in der Schweiz geehrt sein?

In dieser sogenannten Unabhängigen Wissenschaftlichen Kommission der Stiftung FVS sitzt unter anderem auch Georg Kreis, zugleich Mitglied der Bergier-Kommission. Die Frage ist, ob der Basler Regierungsrat die Unabhängigkeit der Bergier-Kommission durch die Doppelmitgliedschaft nicht gefährdet sieht.

  1. Deutet darauf hin, dass wichtige Forschungsergebnisse anderer als der Wissenschaftlichen Kommission vorgelegte nicht berücksichtigt werden oder nicht zur Kenntnis gelangen.
  2. Scheint damit die teleologische (zielgerichtete) Auffassung von Forschung der Kommission der Stiftung FVS jener der Freiheit von Wissenschaft und Forschung diametral entgegen zu stehen.
  3. Scheinen die mannigfaltigen Verbindungen von Hochschullehrern der Universität Basel zum NS-Regime immer noch ein Desiderat zu sein.
  4. Wurden offenbar für die Beantwortung der Anfrage noch nicht einmal Erkundigungen über Friedrich Metz an der Nachbaruniversität Freiburg im Breisgau eingezogen. Für eine Universität, die im EU-Hochschulverbund Oberrhein tätig ist, eine äusserst interessante Feststellung.

Immer wieder muss an dieser Stelle gefragt werden, warum dem iw Materialien vorliegen, die bestandenen Historikern offenbar nicht zur Verfügung stehen? Allein schon Toepfers Rede am Preisträger-Treffen von 1965 weist auf die Basler Verbindung hin: (Zitat aus Toepfers Rede) <<[...]Beide Stiftungen - die führende Stiftung FVS und die heute (also bereits 1965, Anm. d. Redaktion) in Basel und Vaduz domilizierende Johann-Wolfgang von Goethe Stiftung - wurden im Jahre 1931 nach vorausgegangenen zweijährigen Verhandlungen gegründet[...]>>. So erfahren wir also aus dem Munde von Toepfer, dass die Goethe Stiftung bereits seit 1965 in Basel ansässig aber operativ anscheinend noch in Vaduz gewirkt hat. Es ist nicht abzusehen, wie relevant solche Tatsachen sind, warum aber werden sie mit keinem Wirt erwähnt. Der Kurator der Hamburger Toepfer Stiftung, Hugbert Flitner versucht gar, die Spuren der Verbindung zwischen der FVS und Goethe Stiftung zu verwischen oder zumindest in Abrede zu stellen. In einer E-Mail Nachricht schreibt er nämlich, dass die Goethe Stiftung von der Hamburger Alfred Toepfer Stiftung FVS unabhängig sei, was so nicht ganz richtig ist, weil Toepfer in seiner Laudatio ja selbst die Verbindungen zwischen diesen Stiftungen offen legt. Was aber um alles in der Welt lässt diese ansonsten sehr angesehenen Historiker, solche Schlussfolgerungen ziehen. Ist es etwa der Einfluss, das Geld und die Macht die hinter dem Toepferschen Imperium stehen?

Im übrigen zeigte sich der Interpellant Ueli Mäder wen wundert es von der regierungsrätlichen Antwort in keiner Weise befriedigt.

Schlomoh Gysin

 Untenstehender Artikel erschien im Israelitischen Wochenblatt Nr. 23 vom 11. Juni 1999, Erscheinungsort Zürich.

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Subject: Artikel: Toepfer-Stiftung - (Zu) viele offene Fragen...
Date: 11.6.99