Halb bemuessigt und halb beklemmt nehme ich die angelaufene Diskussion um die Zukunftsperspektiven von qualifizierten Nachwuchskraeften der historischen Disziplin in Deutschland wahr. Was Nagel und Sieg angesprochen haben, ist die radikale materielle Entwertung wissenschaftlicher Arbeit und die Entwertung von Hand- und Kopfarbeit, die in keinem Verhaeltnis mehr zur gesellschaftlichen Entwicklung stehen. Dann muesste meines Erachtens auch die Bildungs- und Wissenschaftspolitik der vergangenen zehn Jahre eingehender diskutiert werden. Mich wuerde selbst interessieren, wieviele Promovierte in Deutschland von Sozialhilfe leben muessen. Mir sind reichlich Faelle bekannt, die trotz herausragender Forschung - so deren Gutachten - keine Anstellung finden und mehr als ein Jahr arbeitslos sind. Dann ist aber ganz klar zu fragen, warum Historiker nicht eben lieber Akte oder halt Aktien anstatt nur Akten sammeln sollten. Selbst dazu beduerfte es aber eines Maezens oder eines Rentierstatus. Kann uns das die deutsche Wissenschaft noch bieten?
Warum Nagel und Sieg Brain Drain nicht als Alternative diskutieren, man denke nur an die 15-20.000 Informatiker, die Deutschland aus der Dritten Welt einkaufen will - woher, das steht auf einem anderen Blatt, da auch die USA ebensolche suchen - ist mir allerdings schleierhaft. Da ich seit nunmehr 15 Jahren hauptberuflich als Verkehrs- und Regionalplaner ueberwiegend im Ausland taetig bin und nebenberuflich (sieht man von dem zweijaehrigen Forschungsprojekt ab) als "Externer" meine wissenschaftshistorischen Forschungen betreibe, nehme ich teilweise amuesiert zur Kenntnis, wie in meinen Vortraegen grundsaetzlich die Broterwerbstaetigkeit ausgeblendet wird, um mich in die Zunft einzufuehren. Es gibt offenbar gewisse Hemmungen, sich mit den neuen Realitaeten innerhalb Deutschlands anzufreunden.
Michael Fahlbusch, Basel
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