Liebe NachwuchshistorikerInnen!

Gedankt sei Rainer Broemer fuer seine kritischen Anmerkungen. Da er bis jetzt der einzige ist, der sich in dieser Art und Weise zuwort gemeldet hat, moechte ich einige Dinge hinzufuegen. Zunaechst zum Aufruf von Anne Nagel und Ulrich Sieg: Meiner Meinung nach zaeumen Nagel und Sieg das Pferd von der falschen Seite auf. Ist es klug einen solchen Aufruf mit der Feststellung zu beginnen, dass es zuviele Historiker gibt, um danach einen Stellenausbau zu fordern? Sollte man nicht klarstellen, dass das Uebel im Mangel an Stellen liegt? Wissenschaftlichen Nachwuchs in Form von DFG-Stipendien zu foerdern, kann doch wohl kaum als Fehlplanung bezeichnet werden. Und wer definiert hier, was ein "vertretbares Mass" ist, in dessen Grenzen ausgebildet werden soll. Man mag mich fuer naiv halten, aber man sollte die Ursache fuer den Stellenstau nicht zuerst im Fach, sondern in der Hochschulpolitik der letzten beiden Regierungen suchen. Wichtig und unvermeidlich ist der im letzten Abschnitt angesprochene Diskurs ueber die Rolle der Geschichtswissenschaft in der Gesellschaft. Hier waere es hilfreich, wenn die beiden Autoren preazisieren koennten, welche Innovationen zu langsam aufgenommen und welche oeffentlichen Interessen zu wenig beruecksichtigt worden sind und werden. Denn an dieser Stelle wird es wirklich spannend. Soll sich die Geschichtswissenschaft in den Mainstream einordnen und nach Mitteln der kommerziellen Verwertbarkeit  umsehen, um sich als wirtschaftlich produktives Mitglied der Wissenschaftsfamilie darzustellen (die Verkaufszahlen von Guido Knopp waeren hier vielleicht ganz passend). Oder sollten wir uns endlich mal besinnen und klarstellen, dass eine Gesellschaft, die sich in diesem Tempo entwickelt und deren primaeres anliegen die Gewinnmaximierung im internationalen Wettbewerb ist, auch ein paar kritische Geister braucht, die diese Prozesse hinterfragen und hinterfragen und nochmal hinterfragen. Das laesst sich sicherlich nur schlecht verkaufen, scheint mir aber dringend noetig zu sein. Hier waeren wir dann bei der Drittmitteldiskussion angelangt. Zu fragen wo der Sinn eines internetfaehigen Kuehlschrankes liegt, der seinen Inhalt selbst bestellt, koennte als Forscher mit einem Drittmittelzuschuss von Microsoft kompliziert werden, ist aber aeusserst legitim. Michael Hammer hat Recht wenn er sagt, viel haenge am Selbstverstaendnis. Wenn sich das Selbstverstaendnis der Geschichtswissenschaft allerdings ueber wirtschaftliche Produktivitaet definiert, koennen wir es auch ganz lassen. Es ist dringend notwendig der Gesellschaft, den Hochschulrektoren und besonders der Politik einmal klar zu machen, dass sich sinnvolle Beitraege zur Entwicklung der Gesellschaft nicht zwangslaeufig in Zahlen und Gewinnen ausdruecken lassen muessen. Zu oft schon haben sich gerade die HistorikerInnen in den Dienst des Zeitgeistes gestellt, vielleicht kann man an dieser Stelle doch mal von der Geschichte lernen.

Schoene Gruesse, Marcus Meyer, Student in den letzten Zuegen, Uni Bremen


Quelle = Email <H-Soz-u-Kult>

From: Marcus Meyer <mamey@uni-bremen.de>
Subject: Re: NachwuchshistorikerInnen-Initiative
Date: 14.06.2000


       

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