Liebe Kolleginnen und Kollegen,

in der Diskussion ueber den Sinn und Unsinn der Habilitation sollte Klarheit darueber herrschen, dass die Habilitation nicht eine bessere Doktorarbeit oder ein zweites Buch ist, das dann dazu berechtigt, sich als PD auf feste Stellen zu bewerben. Dieses nicht auszurottende Missverstaendnis kann leicht durch den Blick auf andere Universitaetskulturen korrigiert werden. In Schweden, wo ich fuer einige Jahre studiert habe, sowie in den USA und vermutlich den meisten anderen Laendern gibt es keine Habilitation und doch selbstverstaendlich ein "zweites Buch", das in Schweden die "Dozentenkompetenz" nach sich zieht und in den USA eine Berufung auf einen Associate Professor moeglich macht.

Speziell an der deutschen Habilitation ist nicht der Zwang, sich zusaetzlich zur Dissertation zu qualifizieren, sondern dass die Abschaffung des akademischen Mittelbaus deutlich gemacht hat, dass es fuer Nichthabilitierte keinen festen Platz an den Universitaeten gibt. Sie sind "jung", da in den Augen der Universitaet nicht erwachsen bzw. reif genug, in Lehre und Forschung auf eigenen Beinen zu stehen. Die Abschaffung der Habilitation wuerde doch in keiner Weise den Veroeffentlichungszwang  betreffen, den es in allen anderen Wissenschaftskulturen ebenso gibt.

Die Institutionalisierung, die in der verpflichtenden Habilitation liegt, garantiert zwar einerseits eine gewisse Vergleichbarkeit und Gerechtigkeit bei der Stellenvergabe. Andererseits ist doch wohl allen Beteiligten klar dass Stellen nicht "gerecht" bzw. "objektiv" verteilt werden, sondern entsprechend den Beduerfnissen und Interessen der betreffenden Fachbereiche. Und das ist im Prinzip gut so, auch wenn der Bewerber natuerlich befuerchtet, dass er nicht entsprechend seiner Befaehigung bewertet wird - als Aussenstehender hat man eben keinen Einblick in das Verfahren. Einerseits wissen wir aber, dass Objektivitaet allenfalls eine Wunschvorstellung ist - auch der Staat wuerde sie nicht herstellen koennen -, andererseits garantiert ein "ungerechtes" Verfahren jene Vielfalt, die es trotz aller Kritik an deutschen Universitaeten immer noch gibt. Diese Vielfalt unter den Geldgebern im Forschungsbereich kann daher nicht schaden.

Natuerlich sind wir in dieser Bewerbungsphase alle Konkurrenten. Das muss aber doch nicht bedeuten, dass wir "ehrlicherweise" nicht solidarisch miteinander umgehen koennten. Welches Missverstaendnis, denn immerhin teilen wir ja wohl viele Probleme und nicht zuletzt das Interesse an einer gesellschaftlich gewollten und akzeptierten Geschichtswissenschaft. Fairness gegenueber Forderungen, die meine Interessen nicht betreffen, ist ebenso wertlos wie eine Toleranz, die mich nichts kostet.

Daher moechte ich mein Plaedoyer wiederholen, sich nicht als Opfer zu verstehen und also auch nicht so zu handeln. (Was die Seitenhiebe auf die Sektion "Junge Historiker stellen sich vor" auf dem Historikertag sollen, ist mir bestenfalls ein Raetsel. Es laufen staendig viele Sektionen parallel, ohne dass man das gleich als Wertung dieser Sektionen verstehen muss.) Die Veranstalter des Historikertags werden - da es sich immerhin um die Vertretung der Interessen ihrer Mitglieder handelt - kaum gegen eine Sektion zu den Problemen von Nachwuchswissenschaftler votieren, zumal unsere Probleme auch ihre sind. Es geht schliesslich um die Fortsetzung ihrer Arbeit an den Universitaeten, jetzt und in Zukunft.

Ich wuerde mir eine etwas weniger auf die eigenen Sorgen gerichtete Diskussion wuenschen, und ich will nicht nur deshalb eine Stelle als Historiker erhalten, weil meine Arbeitslosigkeit ein soziales Interesse an meiner Beschaeftigung schafft. Die Geisteswissenschaften sind elitaere Wissenschaften, mit allen Vor- und Nachteilen. Es waere freilich schoen, wenn sie an den Universitaeten den Raum und die Ausstattung erhielten, die ihnen zukommen. Dabei muss es zunaechst vor allem um einen kraeftigen Ausbau bzw. eine Wiederherstellung funktionierender Institutionen gehen.

Heiko Droste


Quelle = Email <H-Soz-u-Kult>

From: Heiko.Droste@t-online.de (Heiko Droste)
Subject: NachwuchshistorikerInnen
Date: 29.06.2000


       

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