Statistische
Daten über die Lage der Historikerinnen und Historiker in der BRD: Erste
Mitteilung
Es
ist sehr schwer, empirische Daten zu finden, die über die Lage der
Historikerinnen und Historiker hinsichtlich der Studienverhältnisse,
der Absolventenentwicklung und ihrer Lage auf dem Arbeitsmarkt
(Beschäftigungsverhältnisse und Erwerbslosigkeit) Auskunft geben.
Die Stiftung für Sozialgeschichte des 20. Jahrhunderts recherchiert
seit einiger Zeit bei den zuständigen Stellen (Statistisches Bundesamt,
Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesanstalt für
Arbeit, Bundesministerium für Forschung und Technologie). Die bislang
ergiebigsten Informationen lieferte dabei die Nr. 1.6/1998 der Materialien
aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, die das Institut für
Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesanstalt für Arbeit herausgibt.
Sie sind in einzelnen Punkten durch Eigenerhebungen ergänzt worden.
Leider
reichen die Daten nur bis in die Jahre 1995/96. Da sie sich aber im Fall
BRD-West auf das Referenzjahr 1985 beziehen, zeigen sie doch einen
aussagekräftigen Trend an, der die aktuelle Entwicklung teilweise
transparent macht. Die wichtigsten Ergebnisse werden im folgenden wiedergegeben.
Selbstverständlich
sollte diese erste Informationsbasis so schnell wie möglich durch den
Bezug weiterer statistikbehördlicher Unterlagen und durch Eigenerhebungen
erweitert und vertieft werden. Um zu zeigen, wie diese Eigenerhebungen aussehen
könnten, wird im zweiten Teil dieses ersten Zwischenberichts ein
entsprechendes Frageschema wiedergegeben.
1.
Berufsstatistik der Historiker/Ethnologen BRD-West und BRD-Ost (ohne Studierende
bzw. Absolventen der Lehrämter, einschließlich Studierende und
Absolventen der Fächer Archäologie, Kunstgeschichte,
Volkskunde)
1.1
Geschichte/Ethnologie BRD-West |
1985 |
1991 |
1993 |
1995 |
1996 |
|
|
|
|
|
|
Studium |
|
|
|
|
|
--
Studienanfänger |
8.958 |
9.518 |
9.941 |
9.930 |
|
--
Studierende insgesamt |
35.591 |
42.566 |
43.833 |
43.575 |
|
|
|
|
|
|
|
Absolventen |
|
|
|
|
|
-
Anzahl |
1265 |
2580 |
2660 |
2838 |
|
-
Index (1985 = 100) |
100 |
204 |
210 |
224 |
|
-
Frauenanteil % |
52 |
57 |
57 |
58 |
|
-
Anteil Promotionen % |
30 |
24 |
23 |
25 |
|
-
Nachwuchsquote |
10,8% |
15,3% |
12,0% |
12,1% |
|
|
|
|
|
|
|
Erwerbstätige |
11.700 |
16.800 |
22.000 |
23.500 |
|
---
Entwicklung 1985 = 100 |
100 |
144 |
188 |
201 |
|
---
Mtl.Netto (Vollzeit) |
|
|
4.221 |
4.376 |
|
-
Erwerbstätigengruppen % |
|
|
|
|
|
---
Selbständige |
16 |
23 |
15 |
31 |
|
---
Beamte |
16 |
9 |
11 |
10 |
|
---
Angestellte |
60 |
63 |
65 |
55 |
|
---
Teilzeiterwerbstätige |
24 |
36 |
28 |
29 |
|
---
Führungskräfte |
25 |
26 |
26 |
26 |
|
---
Arbeiter u.
einf.
Angestellte |
31 |
24 |
13 |
25 |
|
-
Berufliche Schwerpunkte % |
|
|
|
|
|
---
Wissenschaft |
13 |
13 |
14 |
21 |
|
---
Publizistik/Dolm./Bibliothek. |
16 |
18 |
20 |
23 |
|
---
Künstler. Berufe |
10 |
7 |
9 |
18 |
|
---
Verwaltung,
Büro |
11 |
11 |
8 |
6 |
|
---
Lehrtätigkeit (o.öff.
Schulen) |
16 |
11 |
11 |
6 |
|
-
Branchenschwerpunkte |
|
|
|
|
|
---
Forschung/Bildung/K/Medien |
63 |
50 |
53 |
|
|
--
Verarbeitendes Gewerbe |
5 |
7 |
10 |
|
|
--
Gebietskörperschaften/SV |
10 |
9 |
9 |
|
|
--
Orgg. Ohne Erwerbscharakter |
|
9 |
8 |
|
|
|
|
|
|
|
|
Arbeitslosigkeit |
|
|
|
|
|
---
Index (1985 = 100) |
100 |
223 |
178 |
299 |
305 |
---
Anzahl |
927 |
2.064 |
2.576 |
2.768 |
2.826 |
--
Arbeitslosengruppen % |
|
|
|
|
|
---
Frauen
|
51 |
59 |
59 |
59 |
60 |
---
unter 35 Jahren |
61 |
58 |
51 |
49 |
43 |
---
50 Jahre und älter |
5 |
6 |
6 |
7 |
7 |
---
Langzeitarbeitslose |
29 |
24 |
26 |
29 |
30 |
--
Arbeitslosenquoten % |
|
|
|
|
|
---
Männer |
5,0 |
9,1 |
7,6 |
9,8 |
|
---
Frauen |
|
12,6 |
14,3 |
11,2 |
|
---
insgesamt |
7,3 |
10,9 |
10,5 |
10,5 |
|
Daraus
ergeben sich folgende Anhaltspunkte für die Lage der HistorikerInnen
in BRD-West im Jahrzehnt zwischen Mitte der 80er und Mitte der 90er
Jahre
a)
Studium
Die
Anfängerzahlen stiegen im Vergleich zu anderen Fachbereichen
unterdurchschnittlich, wobei der Frauenanteil etwas zurückging.
Überdurchschnittlich hoch war der Anteil der Promotionen an den
Abschlußprüfungen. Aber auch Studienabbrüche bzw.
fachwechsel sind offensichtlich häufiger gewesen als in anderen
Studiengängen.
b)
Erwerbstätigkeit
Die
fachspezifische Erwerbstätigkeit ohne Lehramt verdoppelte sich innerhalb
von zehn Jahren, und zwar weit überdurchschnittlich. Dabei waren aber
viele HistorikerInnen in einfachen betrieblichen Positionen inadäquat
beschäftigt. Fast ein Drittel war selbständig bzw. freiberuflich
tätig. Die Bedeutung des verarbeitenden Gewerbes als Arbeitgeber
nahm zu, es wurden also immer mehr HistorikerInnen in den PR-Abteilungen
der Wirtschaft eingestellt.
c)
Erwerbslosigkeit
Die
Erwerbslosigkeit stieg stärker als die Erwerbstätigkeit und hat
sich verdreifacht. Die Arbeitslosenquote war Mitte der 90er Jahre höher
als Mitte der 80er Jahre. Mit 10,5 % war sie zweieinhalbmal so hoch wie der
Durchschnitt für die westdeutschen Universitäten insgesamt (4,2
%). Die meisten Arbeitslosen waren Jüngere und Frauen. Für die
älteren westdeutschen HistorikerInnen war die Arbeitslosigkeit dagegen
kaum ein Problem.
1.2
Geschichte/Ethnologie
BRD-Ost
(Zusammensetzung
wie BRD-West) |
1991 |
1993 |
1995 |
1996 |
|
|
|
|
|
Studium |
|
|
|
|
-Studienanfänger |
|
|
|
|
--Anzahl |
|
811 |
1.473 |
|
--Index
(1993 = 100) |
|
100 |
182 |
|
-Studierende
insgesamt |
|
2.009 |
3.846 |
|
--Index
(1993 = 100) |
|
100 |
191 |
|
|
|
|
|
|
Absolventen |
|
|
|
|
--Anzahl |
|
76 |
97 |
|
--Index
(1993 = 100) |
|
100 |
128 |
|
--Frauenanteil
% |
|
51 |
40 |
|
--Promotionsanteil
% |
|
29 |
29 |
|
-Nachwuchsquote |
|
|
1,9 |
|
|
|
|
|
|
Erwerbstätigkeit |
|
|
|
|
-Anzahl |
6.200 |
4.700 |
5.200 |
|
-Index
(1991 = 100) |
100 |
75 |
84 |
|
|
|
|
|
|
Arbeitslosigkeit |
|
|
|
|
--Anzahl |
|
365
(1994) |
372 |
335 |
--Index
(1994 = 100) |
|
100
(1994) |
102 |
92 |
-Arbeitslosengruppen |
|
|
|
|
--Frauen
% |
|
40
(1994) |
43 |
47 |
--Unter
35 Jahren % |
|
27
(1994) |
25 |
30 |
--50
Jahre und älter % |
|
32
(1994) |
31 |
27 |
--Langzeitarbeitslose
% |
|
18 |
23 |
22 |
Die
Statistik über die Lage der Historikerinnen und Historiker in BRD-Ost
ist noch unzulänglicher als die bis jetzt gewonnenen Daten über
die Lage in BRD-West. Ihr größter Nachteil ist, daß die
statistischen Vergleichszahlen aus der DDR-Zeit für 1985 fehlen und
der erfaßte Beobachtungszeitraum extrem kurz ist. Trotzdem lassen sich
einige wichtige Fakten ablesen. Beispielsweise stiegen die Zahlen der
Studienanfänger seit Beginn ihrer statistischen (Wieder-)Erfassung deutlich.
Entsprechend werden die Absolventenzahlen zunehmen, und schon jetzt fällt
der auch in BRD-Ost überdurchschnittlich hohe Anteil an Promotionen
ins Auge. Aufgrund der Evaluierungen und politischen Säuberungen von
1990/91 war die fachspezifische Erwerbstätigkeit in der ersten Hälfte
der 90er Jahre deutlich rückläufig, während die Zahl der
über fünfzig Jahre alten erwerbslosen Historikerinnen und Historiker
im Gegensatz zu BRD-West steil anstieg.
2.
Ein Fragenkatalog für aussagekräftige
Eigenerhebungen
Der
folgende Vorschlag ist nur als Impuls gedacht, mit der eigenen beruflichen
Situation kritisch-emoirisch umzugehen. Aus ihm könnte ein Fragenkatalog
hervorgehen, der beispielsweise von den Studierendenfachschaften mehrerer
Universitäten verabschiedet und in Umlauf gebracht werden könnte.
Wichtig wäre eine ergänzende Befragung durch den VHD, und zwar
sowohl durch eine Umfrage bei seinen Mitgliedern über deren eigene Lage,
als auch durch die Einsetzung einer statistischen Kommission, die das gesamte
Spektrum der Berufstätigkeit von HistorikerInnen einschließlich
der berufsfremd Tätigen und Prekären bzw. Erwerbslsosen untersuchen
könnte. Die Gelegenheit dazu wäre auf dem nächsten Historikertag
gegeben (Abstimmung darüber in der Verbandssitzung, Podiumsdiskussion
und öffentliche Erklärung).
Jedenfalls
ist das bis jetzt vorliegende Material wenig aussagekräftig bezüglich
der inneren Zerklüftung der HistorikerInenenbranche im Kontext der neuen
Arbeitsverhältnsse. Sicher wird es möglich sein, die grob aggregierten
Daten der offiziellen Statistik durch weitere Recherchen bei den Datenbanken
der Statistikbehörden bis in die Gegenwart fortzuschreiben. Bei einer
systematischen Erhebung über die wissenschaftspolitisch besonders wichtigen
inneren Entwicklungslinien wäre dagegen folgendermaßen
vorzugehen:
a)
Umfang der Ausbildung von HistorikerInnen in den jeweiligen akademischen
Qualifikationsstufen
-Anzahl
der erfolgreich abgeschlossenen Habilitationsverfahren pro Semester/Jahr
und der laufenden Habilitationsprojekte
-Anzahl
der promovierten HistorikerInnen pro Semester/Jahr und der laufenden
Promotionen
-Anzahl
der Magisterabschlüsse von HistorikerInnen pro
Semester/Jahr
-Anzahl
der bestandenen Lehramtsprüfungen mit Hauptfach Geschichte pro
Semester/Jahr
-Anzahl
der Studienabbrüche und Studienfachwechsel pro
Semester/Jahr
-Einkommensquellen
der Studierenden bis zum Magister bzw. zur Promotion (Eltern, Stipendien,
Einkommen aus entsprechend zu spezifizierenden
Arbeitsverhältnissen)
b)
Berufsentwicklung nach den akademischen Abschlüssen: Regulärer
Sektor für Historiker
-Anzahl
der derzeit besetzten wissenschaftlichen Vollzeitstellen für promovierte
bzw. habilitierte Historiker (C1 bis C4)
-Anzahl
der derzeit besetzten Vollzeitstellen für Historiker in den Archiven
-Anzahl
der derzeit besetzten Vollzeitstellen für Historiker im höheren
Schuldienst
-Anzahl
der derzeit vorhandenen Vollzeitstellen für Historiker in der
öffentlichen Verwaltung, in den Medien, Verlagen und
Unternehmen
-Anzahl
der selbständig tätigen HistorikerInnen mit
qualifikationsadäquaten Einkommen (6000.- DM brutto/Monat und
darüber)
c)
Berufsentwicklung nach den akademischen Abschlüssen/Abbrüchen:
Reguläre Beschäftigungsverhältnisse in anderen Berufen (wie
oben)
-Habilitierte
-Promovierte
-Magisterabschlüsse
-Studienabschlüsse
Höheres Lehramt
-Selbständige
mit qualifikationsadäquaten Einkommen
-Berufliche
Entwickulung der Studienabbrecher
d)
Berufsentwicklung nach den akademischen Abschlüssen: Berufsspezifischer
prekärer Sektor
-Anzahl
der bisher nicht berufenen Habilitierten mit fachspezifischen ungeschützten
Arbeitsverhältnissen (Lehrstuhlvertretungen mit reduzierten Bezügen,
befristete Teilzeitjobs, unter- bzw. unbezahlte
Lehrveranstaltungen)
-Anzahl
der Promovierten (befristete Arbeitsverträge, Teilzeitjobs,
geringfügige Beschäftigungsverhältnisse, unter- bzw. unbezahlte
Lehrveranstaltungen)
-Anzahl
der Magister (dito)
-Anzahl
der HistorikerInnen mit Qualifikation zum höheren Lehramt
(dito)
-Sondererhebung
über Ausmaß und Art der ungeschützten Arbeitsverhältnisse,
mit denen HistorikerInnen berufsspezifisch konfrontiert sind (Teilzeitarbeit,
geringfügige Beschäftigung, BSHG-Beschäftigungen, befristete
Arbeitsverträge, ABM-Verträge)
-Anzahl
der Bezieher von Arbeitslosen- und Sozialhilfe
e)
Berufsentwicklung nach den akademischen Abschlüssen: berufsfremder
prekärer Sektor (wie d).
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