Die Diskussion scheint ja im Moment etwas zu versanden, deshalb hier einige Vorschlaege:

- Die Sektion "Junge Historiker stellen sich vor" kann man doch getrost ausfallen lassen; schliesslich sind das keine 23 jaehrigen, sondern schon laengst gestandene Wissenschaftler, die´s eigentlich nicht noetig haetten, auf dem Historikertag dort zu referieren. Ich meinerseits wuerde mich lieber in einer "normalen" Sektion vorstellen als in dieser.

- Den Begriff "Solidaritaet" halte ich fuer etwas schwierig, schliesslich sind wir alle Einzelkaempfer und potentielle Konkurrenten um Stellen. Aber sowas wie eine Interessenvertretung waere auf jeden Fall sinnvoll. Ich bin schon seit Jahren im Historiker-Verband und frage mich, was mir das eigentlich gebracht hat, ausser der Tatsache, dass mein Name im Mitgliederbuch abgedruckt ist und ich verbilligt den Tag besuchen kann oder das eine oder andere Abonnement beziehen (aber das koennen sich arbeitslose und von Sozialhilfe lebende Leute sowieso nicht leisten, auch nicht verbilligt). Stellungnahmen oder Inpute zu Diskussion kommen da doch eh nicht. Allerdings kann ich mich erinnern, dass es mal einen Aufruf gab, eine Datei der Habilitierten zu erstellen, angeblich ist das schwierig aus Datenschutzgruenden (!). Was ist daraus geworden?

- Die grossen Probleme, um die es geht, lassen sich doch folgendermassen zusammenfassen:

- es wird gigantisch Humankapital verschwendet; zuungunsten aller und der Betroffenen vor allem

- es herrscht allgemeine Dunkelheit darueber, wie Lebenslaeufe verlaufen; warum wer wie aussteigt oder vor sich hin vegetiert (siehe Humankapital).

- es gibt keine Interessenwahrnehmung fortgeschrittener Wissenschaftler

Als weiteres Vorgehen wuerde ich folgendes empfehlen:

- Wissensgrundlagen schaffen: Frau Paletschek hat wichtige Hinweise geliefert: Statistiken herstellen. Als Beginn wuerde ich vorschlagen, alles zu sammeln, was es gibt und versuchen, Wissensbasis durch eigene Aktivitaeten zu verbreiten. Nur mit diesem Wissen hat man Argumente in der Hand und laesst sich nicht ueberrollen, wenn irgendwelche Evaluierungen oder politische Kuerzungskampagnen bevorstehen.

- dazu wuerde ich vorschlagen, die Lage und Stimmung unter uns allen weiter zu erforschen; am besten eine Umfrage per email-formular an alle Soz&Kult-Abonnenten oder Verbandsmitglieder (die nicht Profs sind oder es erst seit kurzem sind).

- die bisherige Diskussion soll als Broschuere am Historikertag ausgelegt werden; unterteilt in die Rubriken "Wut und Frust" sowie "Vorschlaege". Warum auch nicht anonyme Meinungen sammeln, da sich vielleicht nicht alle trauen, den Mund aufzumachen.

- Wir muessen Politiken entwerfen: also Interessenvertretung formieren (Nagel und Sieg!?), und dann Vorschlaege erarbeiten, wie unserer Meinung nach der Historikerberuf und der Laufbahnweg zu reformieren ist. Dazu gehoert auch die Erarbeitung (der Votant Heikki Lempa!) davon, wie Wissenschaft anderswo funktioniert. Wo steckt eigentlich die Diskussion um die Abschaffung der Habilitation? Viele wache Geister fordern doch schon lange, sie abzuschaffen. Es gibt bereits Sammelhabilitierte (Prof.Aram Mattioli, Luzern). Wie Sieg und Nagel formuliert haben, war es moeglicherweise "unverantwortlich", durch zahlreiche SFB´s und Habilstipendien, soviel Nachwuchs (Promo- und Habilitierte) zu fabrizieren. Hier besteht ein Dilemma zwischen der Haltung, allen, die eine Neigung verspueren, eine Chance zu geben und zwischen der Realitaet, dass dieser Weg oft im Off endet. Wo sind diejenigen, die im Off gelandet sind? Wenn man sich die Historiker-Interviews durchliest, dann wird doch oft kenntlich, dass diese Leute in den 50er und 60er Jahren mit weniger Konkurrenz habilitieren mussten. Es gab eine Stelle und die bekam einer (z.B. Ritter und nicht Grebing). So dumm war das andererseits naemlich auch nicht, denn die, die dann habiliterten, haben dann Lehrstuehle bekommen. Von sowas kann man heute nicht mal mehr traeumen! Hoechsten albtraeumen. Vielleicht waere es ein Weg, die Auswahl, wer "weitermachen" darf, doch staerker der Fakultaet anheimzugeben, und dafuer denjenigen, die ausgewaehlt wurden oder sich sonstwie durchgesetzt haben, mehr Zukunftssicherheit zu geben. In diese Richtung muss nachgedacht werden und eine irgendwie geartete Interessenvertretung von "uns", also promovierten Wissenschaftler oder Habilitierte, muss hier Vorschlaege machen. Insbesondere muss das "Bild" des Professors korrigiert werden; Frau Paletschek verweist mit Recht auf das Bild als asketischen, harten Berufsweg. Woher kommt das? Da gibt es schon mehrere Hinweise darauf, aber jetzt muessen wir uns mal konkret damit  befassen und das Bild so ablehnen. Woher kommt es denn, dass es so wenig Frauen unter den deutschen Profs - immer noch - gibt? Das hat doch damit zu tun, dass es immer noch ein altvaeterisches, paternalistisch gepraegtes (ich verweise zum zweiten Mal auf den biographischen Teil der Historiker-Interviews) Bild "vom Prof" gibt. Jede Frau muss fuer sich entscheiden, ob sie a) in einen solchen Verein will und b) wenn ja, wie sie das anstellt. Aber nur ueber Entsagung und Lustfeindlichkeit geht das nicht. Hier auch nochmal auf Paletscheks Verweis, was dieser "Weg" mentalitaetsmaessig meint: die heutigen jungen Maenner und Habilitanden sind doch nun auch oefter mit Windelwechseln beschaeftigt als die "Alten" der Zunft. Oder alternativ mit Arbeitslosigkeit, im schlimmsten Fall beidem. Was denken die ueber ihren Berufsentwurf?

Weil ich soviel geredet habe, mein Vorschlaege nochmal in Kurzform:

- Problem:

1) Verschleuderung von Humankapital
2) fehlende Wissenensgrundlage ueber Berufsverlaeufe
3) fehlende Problematisierung der Lage / Interessenvertretung

- Vorgehensweise:

- Evaluieren: Umfragen machen; Statistisches Material sammeln/herstellen - Interessenvertretung schaffen; dem Historikerverband Zunder geben - ein neues Berufsleitbild entwerfen und Vorschlaege fuer dessen Umsetzung formulieren.

Dr. des. Ursula Meyerhofer


Quelle = Email <H-Soz-u-Kult>

From: Meyerhofer <113350.2442@compuserve.com>
Subject: Nachwuchs
Date: 22.06.2000


       

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