Stellungnahme der Autoren zur Debatte um das Thesenpapier

"Historische Ursachen der Fremdenfeindlichkeit in den Neuen Bundeslaendern"

von Jan C. Behrends, Dennis Kuck und Patrice G. Poutrus

Im folgenden Beitrag moechten wir auf die mittlerweile zahlreichen Stellungnahmen zu unserem Papier reagieren und versuchen, einige Missverstaendnisse auszuraeumen. Ausserdem moechten wir dazu einladen, im Rahmen einer wissenschaftlichen Tagung am Zentrum fuer Zeithistorische Forschung (ZZF) in Potsdam das Thema im Dezember in einem groesseren Rahmen zu diskutieren.

Einige Worte zur Entstehungsgeschichte unseres Thesenpapiers: Es ist bereits im letzten Herbst entstanden und somit nicht als unmittelbare Reaktion auf die Ereignisse des vergangenen Sommers zu lesen. Bei dem Papier handelt es sich um eine Vorstudie, die vom brandenburgischen "Aktionsbuendnis gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit" 1999 unterstuetzt wurde, fuer ein geplantes Forschungsprojekt am ZZF ueber "'Fremde' in der DDR". So erklaert sich auch, warum von uns ausschliesslich die DDR thematisiert wird; im Umkehrschluss bedeutet das natuerlich nicht, dass die Autoren sich der Fremdenfeindlichkeit in der Bundesrepublik nicht bewusst sind bzw. diese marginalisieren moechten. Wir sind jedoch auch ueberzeugt, dass es in den Neuen Bundeslaendern spezifische Handlungs- und Deutungsmuster gibt, die aus der Geschichte der DDR herzuleiten sind.

Ferner beanspruchen die von uns ausgefuehrten historischen Erklaerungen keinen exklusiven Geltungsanspruch. Zwischen unseren historischen Erklaerungsansaetzen und denjenigen Deutungen, die sich auf den gegenwaertigen Transformationsprozess beziehen, sehen wir jedoch keinen Widerspruch. Vielmehr erscheint uns der problematische Umgang mit "Fremden" in der DDR als eine fortwirkende Belastung, die durch die Haerten des Transformationsprozesses noch verschaerft wird. Es soll auch nicht geleugnet werden, dass rechtsradikale und neonazistische Gruppierungen aus der alten Bundesrepublik ab 1990 in Ostdeutschland aktiv wurden und den westdeutschen Neonazismus exportierten. Gerade hier gilt es allerdings zu fragen, warum diese Gruppen in den Neuen Bundeslaendern auf starke Resonanz und geringen gesellschaftlichen Widerstand stiessen. Hier ist die Antwort in den von uns thematisierten 40 Jahren DDR-Geschichte zu suchen.

Wenn man um diese historischen Hypotheken weiss, dann wird auch eher verstaendlich, was in den zehn Jahren seit der Einheit an gesellschaftspolitischer Initiative versaeumt worden ist. Anders formuliert:

Neue Infrastruktur allein schafft noch keine demokratische Gesellschaft. Es war auch nicht unsere Absicht, jemandem die "Schuld" an der gegenwaertigen gesellschaftlichen Situation in den Neuen Bundeslaendern zuzuweisen. Dieser Begriff wurde von uns auch nicht verwendet. Allerdings gilt es nach unserer Ansicht auch, einer erneuten Externalisierung der Verantwortung in Richtung Westen - ein zu DDR-Zeiten gut eingespielter Reflex - entgegen zu treten. So wie man die bundesdeutsche Gesellschaft der 50er Jahre nicht ohne das Wissen um den NS analysieren kann, so bleibt auch die heutige Situation in Ostdeutschland unverstaendlich, wenn man nicht auch die Geschichte der DDR als Erklaerung mit heranzieht. Als Zeithistoriker, die sich primaer mit der DDR beschaeftigen, sehen wir unsere Thesen als Beitrag zu einer breiteren Debatte um die Ursachen von Fremdenfeindlichkeit in Deutschland.

In den naechsten Tagen werden wir hier auf H-SOZ-u-KULT einen Call for Papers fuer eine Tagung mit dem Thema "Fremde und Fremd-Sein in der DDR" veroeffentlichen. An dieser Stelle moechten wir bereits alle interessierten Kolleginnen und Kollegen auffordern, sich mit Beitraegen bzw. Kommentaren an der Diskussion zu beteiligen.


Quelle = Email <H-Soz-u-Kult>

From: "Patrice G. Poutrus" <poutrus@zzf-pdm.de>
Subject: Re: Thesenpapier "Historische Ursachen der Fremdenfeindlichkeit in den Neuen Bundeslaendern"
Date: 18.09.2000


       

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